„Curse ist zurück“ heißt ein Song des Rappers aus Minden, Ostwestfalen. In Stuttgart hat der 36-Jährige am Dienstag ein reifes Konzert gegeben – zumindest bis zum Zugabenblock.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Curse hat am Dienstagabend die Hip-Hop-Festwochen in Stuttgart eröffnet. Curse? Ja, das ist der mit „Feuerwasser“. Dieses Album, glaubt der Rapper aus Minden in Ostwestfalen, werden einige immer für sein bestes halten – einfach weil sie ihn damit kennengelernt haben. So wie Curse „Illmatic“, das erste Album seines Vorbilds Nas, immer für das beste halten wird. Aber es muss ja weitergehen. Etwa am Dienstagabend in den Wagenhallen in Stuttgart.

 

Der Umgang mit der eigenen Biografie ist bei diesem Konzert das bestimmende Thema. War in den Songs von Curse ja immer so, aber je mehr vom Leben man schon gelebt hat, desto philosophischer betrachtet man das Erleben an sich. Der 36 Jahre alte Michael Sebastian Kurth alias Curse thematisiert im Song „November“ etwa, dass er „noch fast“ jung ist, jung wie die Nacht – „während Zuhaus ein großes Herz Augen auf die kleine Zukunft hat“. Und manch einer im Publikum findet sich womöglich wieder in dieser Geschichte von jungen Eltern, die zumindest ab und zu die Nacht zum Tage machen wollen, und zwar nicht mit Babygeschrei.

Zum Publikum die Ergebnisse einer Curse-Umfrage: „Wer kennt mich erst seit meinem neuen Album?“ Gehen etwa sieben Hände hoch. „Wer kommt direkt aus Stuttgart?“ Streckt etwa jeder Dritte in den nicht ganz vollen Wagenhallen.

Kein Kiezdeutsch, Schulabschluss und Rucksacklook

„Bisschen zu viel Rucksack“, hat ein Hip-Hop-Kenner aus Stuttgart über das zu erwartende Curse-Publikum gesagt. Ist das überhaupt HipHop? Definitionssache, mag sein. Curse hat ja auch schon mit Silbermond und Westernhagen Musik gemacht. Grenzen verwischen halt, und natürlich sind die Wagenhallen an diesem Abend keine Battle-Rap-Hölle, sondern hier wird eine deutlich dem Pop zugeneigte Variante deutscher Sprechgesangsmusik gegeben, die Casper oder Cro zum Nachbarn hat.

Also Genre Rucksack. Kompliment oder nicht, tatsächlich sieht man hier viele mit angesagtem Look „Glatze und / oder Vollbart“ – Curse steht das übrigens sehr gut. Auf der Bühne wie auch davor: kein Kiezdeutsch, Schulabschluss überwiegend Abitur, und tatsächlich Rucksacklook samt Skinny Jeans und legerem Sweater. Kurz: alles sehr angenehm.

Zu einem wirklichen Highlight gerät dieses Konzert, weil es so vielfältig ist. Und das nicht nur, weil es zweieinhalb Stunden dauert – das kommt auch daher, dass Curse sich ausgiebig Zeit für Ansagen zu seinen Songs nimmt. Er gibt ihnen damit Kontext, Persönlichkeit, vermittelt auch viel Freude an diesem Auftritt, die man ihm genau so abnimmt.

Die Songs, die Curse in fast 15 Jahren Profirapkarriere geschrieben hat, sind ja auch wirklich gut. Präsentiert werden sie überwiegend im Bandarrangement, für das der aus der Region Stuttgart stammende Kilian Wilke an den Synthesizern verantwortlich zeichnet. Die beiden Schlagzeuger Christoph Schneider und Jan Siekmann geben den Songs eine schöne Fülligkeit, obwohl der Sound insgesamt über weite Strecken knochentrocken rüberkommt.

Schwächeanfall vor der Bühne

Die ersten anderthalb Stunden in den Wagenhallen sind von ruhigen Tracks dominiert. „Kristallklarer Februar“ vom neuen Album ist der beste von ihnen, weil Curse darin in starken Worten den Abschied von einem guten Freund und Mitmusiker verarbeitet. Der Song wird fast zweimal gespielt – fast, weil beim ersten Mal kurz vor Ende ein Fan unmittelbar vor der Bühne nach einem Schwächeanfall zu Boden sinkt. Bei diesem Song ist es wie von Curse gewünscht völlig ruhig in den Wagenhallen. In diesem Ambiente wirkt diese Musik, wie sie wirken soll. Wir sind zwar auf einem ganz normalen Hip-Hop-Konzert. Aber mit dieser Performance und diesen Songs empfiehlt sich Curse auch für einen anderen, man will fast sagen hochkulturellen Rahmen.

Der Teil mit der Animation kommt dann doch noch: bei den älteren Songs, zu denen die Arme geschwenkt werden oder das Publikum mal mitgeklatscht – die Gepflogenheiten ändern sich, zumal bei dieser Spielart des Rap, die sich so deutlich am Pop orientiert.

Die älteren Songs kommen derweil ganz traditionell ohne Liveschlagzeug aus: „Hey-ho-HipHop“, nennt Curse das, er kann das genauso gut. Zeigt dann noch, wie schnell er rappen kann und springt zum Stagediven ins Publikum. Die Show steuert auf ihr Highlight zu, die „Zehn Rap Gesetze“ – also den ersten Song auf dem ersten Album, der wesentlich frenetischer abgefeiert wird als es der erste, ruhige Teil des Abends hätte erwarten lassen.

Zehn Rap Gesetze: Das wirkt in diesem Fall nicht wie der nostalgische Blick zurück, hier schließt sich vielmehr ein Kreis. „Wir kommen bald wieder, wenn wir dürfen“, ruft Curse. Er darf. Sehr gerne sogar.