Die Gespräche mit dem Betriebsrat sind am Streit um eine Sozialcharta gescheitert. Das Unternehmen legt nur eine tarifliche Lohnuntergrenze fest. Die Arbeitnehmervertreter pochen auf die genaue Anwendung der Tarifverträge.

Stuttgart - Der Daimler-Vorstand hat neue Grundsätze für den Umgang mit Zeitarbeit und Werkverträgen in Kraft gesetzt. Das Unternehmen reagierte damit auf das Scheitern mehrtägiger Verhandlungen mit dem Betriebsrat. Entzündet hatte sich der Konflikt zwischen Management und Arbeitnehmervertretung vor allem an einer Sozialcharta, die Mindeststandards bei Fremdfirmen definiert, die im Daimler-Auftrag arbeiten. Der Betriebsrat konnte sich mit seinen Forderungen nicht durchsetzen.

 

Um den Einsatz von Werkverträgen und die Bezahlung der Menschen gibt es bei Daimler einen heftigen Streit. Das Unternehmen betrachtet Werkverträge, bei denen eine Leistung zu einem bestimmten Preis an ein anderes Unternehmen vergeben wird, als gängiges Instrument der Geschäftspolitik. Beispiele hierfür sind Kantine, Logistik und Entwicklung. Die Auftragnehmer entscheiden selbst, mit wie vielen Beschäftigten die Leistung erbracht wird. Die Mitarbeiter haben teilweise zu deutlich niedrigeren Löhnen gearbeitet, als bei Daimler eigentlich üblich ist. In einem Fernsehbeitrag war sogar von „Hungerlohn unterm Stern“ die Rede.

Die jetzt verabschiedeten Grundsätze umfassen den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Standards bei der Unterbringung von Beschäftigten bei Werkvertragsunternehmen, die für Daimler arbeiten. Zudem müssen Werkvertragsunternehmen mindestens die Einstiegsvergütung des jeweiligen regionalen Branchentarifvertrags zahlen. Dies, so heißt es weiter, gelte unabhängig davon, ob sie tariflich organisiert sind oder nicht. Zeitarbeitnehmer bei den Werkvertragsunternehmen erhalten künftig die Branchenzuschläge der Metall- und Elektroindustrie.

Audit-Team prüft stichprobenartig die Einhaltung der Standards

Die Einhaltung der Standards und die korrekte Durchführung von Verträgen sollen durch ein so genanntes Audit-Team stichprobenartig überprüft werden. Die Arbeitnehmervertreter will das Unternehmen informieren und die Ergebnisse mit ihnen diskutieren. Unternehmen, die sich bei Daimler künftig um einen Werkvertrag bewerben, müssen die Standards erfüllen, sonst werden sie nicht zur Auftragsausschreibung zugelassen. Und sie müssen akzeptieren, dass Daimler die Einhaltung überprüft. Dies reicht jedoch dem Gesamtbetriebsrat und dem Vorsitzenden, Erich Klemm, nicht aus.

Der Gesamtbetriebsrat fordert, dass auch Mindeststandards bei der Vergütung zu der Charta gehören. So sollen die Dienstleister – und gegebenenfalls deren Subunternehmer – Tarifverträge anwenden müssen und damit ihre Beschäftigten entsprechend dem jeweiligen regionalen Tarifvertrag bezahlen.

Klemm kritisiert nun, dass der Vorstand die Anwendung von Tarifverträgen nicht als sozialen Mindeststandard begreife. Aus Sicht des Gesamtbetriebsrats garantiert es keine faire und angemessene Vergütung, wenn ein Mitarbeiter einer Fremdfirma nur Anspruch auf das unterste tarifliche Mindestentgelt hat – und nicht auf eine Vergütung entsprechend seiner Eingruppierung. Beschäftigte, die im Auftrag von Daimler arbeiten, könnten unter bestimmten Bedingungen weiterhin auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, heißt es. Sie hätten zudem keinen Anspruch auf tariflichen Urlaub, Urlaubsgeld und andere betriebliche Sozialleistungen. Klemm moniert, dass es Daimler offenbar vor allem darum gehe, die Kosten zu drücken und dass den Betriebsräten die Mitsprache verweigert werde.

Nach Angaben des Betriebsrats sind bei Daimler gegenwärtig etwa 6300 Leiharbeiter tätig – 4400 in der Produktion und 1900 in Verwaltungsbereichen sowie in Forschung und Entwicklung. Zum Vergleich: zur Gesamtbelegschaft gehören 168 000 Männer und Frauen. Zur Anzahl der Beschäftigten, die via Werkvertrag bei Daimler arbeiten, macht das Unternehmen keine Angaben. Der Gesamtbetriebsrat nennt für die Zentrale Zahlen. Hier sind 1900 Beschäftigte über einen Werkvertrag im Einsatz – bei einer Belegschaft der Zentrale von 12 000 Mitarbeitern.