Die unerlaubte Aufnahme von Kundentelefonaten war vielleicht doch nicht so schlimm, meint die EnBW: Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass die Audiodateien durch einen Störton unverwertbar gemacht wurden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Praxis des Energiekonzerns EnBW, Kundentelefonate unerlaubt aufzunehmen, war möglicherweise weniger problematisch als vom Unternehmen zunächst selbst angenommen. Dies hat eine konzerninterne Untersuchung der Vorgänge ergeben, die derzeit auch von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und vom Landesdatenschutzbeauftragten geprüft werden. Gespräche mit Kunden, die einer Aufzeichnung vorab widersprochen hatten, waren trotzdem aufgenommen worden. Die Audiodateien sollen jedoch nicht nur automatisch sechzig Sekunden nach dem Ende des Telefonats gelöscht, sondern auch durch einen Störton unverwertbar gemacht worden sein.

 

Entsprechende StZ-Informationen bestätigte die EnBW. „Dadurch wird die Aufzeichnung akustisch so verändert bzw. verfremdet, dass die Gesprächsinhalte selbst dann nicht wiedergegeben werden könnten, wenn die Audiodatei nicht automatisch gelöscht würde“, teilte das Unternehmen mit. Mit dieser doppelten Sicherung sei gewährleistet, dass sich die Kommunikation mit den Kunden nicht mehr reproduzieren lasse.

Erst Hersteller verweist auf Störton

Die Tatsache, dass der Störton eingespielt werde, habe sich erst im Zuge der internen Ermittlungen und nach einem Gespräch mit dem Hersteller des Softwaresystems, der US-Firma Verint, herausgestellt, berichtete die EnBW. Offiziell wird die Software eingesetzt, um die Qualität im Kundenservice zu verbessern; ein Teil der Telefonate wird dazu ausgewertet.

Die EnBW hatte die Praxis im Zuge von StZ-Recherchen zunächst als völlig unproblematisch verteidigt; auch die Datenschützer des Konzerns hätten sie abgesegnet, hieß es. Kurz vor der Hauptversammlung Ende April waren dem Unternehmen dann aber plötzlich Bedenken gekommen: Um mögliche Datenschutzprobleme zu klären, wurde der Einsatz des Systems abrupt gestoppt; bis heute läuft es offenbar nicht wieder. Zugleich schaltete das Unternehmen den Landesdatenschutzbeauftragten Jörg Klingbeil ein, der seinerseits bereits Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erstattet hatte. Beide Stellen hat die EnBW inzwischen über den für sie entlastenden Sachverhalt mit dem Störton informiert. Dort soll es für Verwunderung gesorgt haben, dass das Unternehmen erst so spät darauf gestoßen sein will.

Untersuchung zieht sich in die Länge

Die Staatsanwaltschaft prüft die Vorgänge inzwischen seit mehr als zwei Monaten, hat laut einem Sprecher aber immer noch nicht über die Aufnahme von Ermittlungen entschieden. Zunächst hatte sie lange auf eine Stellungnahme der EnBW gewartet, dann war von Rückfragen an den Datenschutzbeauftragten die Rede; seither gab es keine Erläuterungen mehr, warum sich die binnen Wochenfrist angekündigte Entscheidung so lange hinzieht.

In einem anonymen Schreiben, das die Ermittler nicht kommentieren wollten, werden derweil neue Vorwürfe gegen die EnBW erhoben. Nach StZ-Informationen heißt es darin, die Stellungnahme des Unternehmens gegenüber der Justiz sei teilweise falsch. Die Verzerrung der Telefonate durch den Störton sei in der bis April eingesetzten Software-Variante nicht möglich gewesen; eine entsprechende Änderung sei erst nach den Berichten der Stuttgarter Zeitung über die Praxis veranlasst worden. Zudem argwöhnen die Verfasser – offenkundig Insider aus dem Unternehmen oder dessen Umfeld – , Gesprächsaufzeichnungen seien kurz vor der Hauptversammlung gelöscht und nachträglich wiederhergestellt worden, aber womöglich nicht in der Originalform. Die Staatsanwaltschaft solle dies gründlich prüfen.

EnBW empört über neue Vorwürfe

Die EnBW widersprach dem neuen Verdacht scharf. „Alle Vorwürfe, die . . . eine Täuschung, Verschleierung und nachträgliche Manipulation des Sachverhalts durch uns unterstellen, sind völlig unbegründet und unzutreffend“, teilte ein Sprecher mit. Die Erklärung gegenüber der Staatsanwaltschaft entspreche „in vollem Umfang der Wahrheit und den Tatsachen“. Man werde alle Ermittlungen der Behörden weiterhin „vorbehaltlos“ unterstützen.