Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe prüft den EnBW-Kundenservice länger als geplant. Der Grund: noch fehle ein Bericht des Konzerns zu Datenschutzverstößen. Überwacht wurde auch die Kontrolle externer Dienstleister in Callcentern.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Justiz benötigt länger als erwartet, um mögliche Datenschutzverstöße beim Energiekonzern EnBW auf eine strafrechtliche Relevanz hin zu untersuchen. Ursprünglich wollte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bereits in der vergangenen Woche entscheiden, ob sie wegen der unerlaubten Aufzeichnung von Kundengesprächen förmliche Ermittlungen einleitet. Dies hatte die Behörde Ende April unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe angekündigt. Die Prüfung auf einen Anfangsverdacht dauere aber noch an, weil man auf eine von der EnBW avisierte Stellungnahme warte, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft jetzt der StZ; er gab keine neue Prognose, bis wann mit einem Ergebnis zu rechnen sei. Die Vorermittlungen waren durch eine Strafanzeige des Landesdatenschutzbeauftragten Jörg Klingbeil in Gang gekommen.

 

Erst infolge von StZ-Recherchen hatte Klingbeil von den Vorwürfen gegen die EnBW erfahren. Bei dem überwiegend staatlichen Energiekonzern waren Telefonate im Kundenservice systematisch auch dann aufgezeichnet worden, wenn die Kunden dem zuvor ausdrücklich widersprochen hatten. Die Dateien seien jedoch unmittelbar danach gelöscht und nicht ausgewertet worden, betonte das Unternehmen. Auch die Mitarbeiter hätten die Aufzeichnung stoppen können. Insgesamt seien pro Woche über neun Stunden Gespräche aufgezeichnet worden; die Auswertung von Stichproben diene der Qualitätssicherung. Dazu wurde eine Software der US-Firma Verint eingesetzt, der eine Nähe zu Geheimdiensten nachgesagt wird.

Der Konzerndatenschützer schweigt

Die EnBW hatte die Praxis zunächst als unproblematisch dargestellt und uneingeschränkt verteidigt. Datenschutz habe für das Unternehmen einen hohen Stellenwert, auch der Konzerndatenschutz sei eingebunden gewesen. Später kamen dem Unternehmen dann doch Zweifel: Man habe den Einsatz des Systems „aus aktuellem Anlass“ bis zur Klärung offener Fragen gestoppt und den Landesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet, hieß es kurz vor der Hauptversammlung. Dort wurde der Vorgang wiederholt kritisch angesprochen, er dominierte auch das Medienecho.

Wegen der laufenden Untersuchung, die man selbstverständlich unterstütze, wollte sich die EnBW zunächst nicht zu weiteren Fragen äußern. So blieb etwa offen, seit wann das jetzt gestoppte Verfahren bereits praktiziert wurde. Auch die vom Vorstand bei der Hauptversammlung genannten „technischen Gründe“ für die Aufzeichnung der Gespräche wurden nicht näher erläutert. Zu möglichen personellen Konsequenzen bei den internen Datenschützern wollte das Unternehmen ebenfalls nichts sagen; der Konzernbeauftragte Leo H. reagierte nicht auf eine StZ-Anfrage. Der Datenschutzbeauftragte Klingbeil zeigte sich verwundert, dass er die Praxis gebilligt haben solle; für ihn seien nach der Prüfung von EnBW-Unterlagen keine Rechtsgrundlagen dafür erkennbar.

Auch externe Dienstleister überwacht

Der Energiekonzern trat derweil Vermutungen aus der Branche entgegen, das Kontrollsystem diene besonders der Überwachung externer Dienstleister im Kundenservice. „Die Notwendigkeit einer Qualitätssicherung sehen wir unabhängig von der Frage, ob eine Leistung intern oder extern erbracht wird“, hieß es. Wie andere Energieversorger kooperiere die EnBW bei der Bearbeitung von Kundenanfragen mit diversen externen Dienstleistern. Dies sei notwendig, um den Kunden auch außerhalb der üblichen Servicezeiten und bei starkem Andrang zur Verfügung zu stehen.

Nach Unternehmensangaben liegt der Anteil externer Mitarbeiter im Kundenservice unter fünfzig Prozent: 530 EnBW-internen Mitarbeitern stünden etwa 450 Mitarbeiter von externen Partnern gegenüber, darunter 300 in den neuen Bundesländern; dort befinden sich diverse Callcenter. Losgelöst von der aktuellen Diskussion sei der EnBW-Kundenservice „mehrfach für seine Qualität ausgezeichnet“ worden, betonte das Unternehmen. Der Kundenservice gilt in der Energiebranche als wichtiger Erfolgsfaktor, zumal seit der Liberalisierung des Marktes 1998.

Der Mindestlohn soll garantiert sein

Zu Einzelheiten der Verträge mit den Dienstleistern wollte sich die EnBW „grundsätzlich nicht“ äußern. Allgemein hieß es zur Frage nach angeblich schlecht bezahlten Mitarbeitern in den Callcentern, seit Anfang 2015 gelte bundesweit der gesetzliche Mindestlohn. Bereits zum Juli 2013 sei das baden-württembergische Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge eingeführt worden, „das auch bei der EnBW Anwendung findet“. Seither werde bei Vergaben von jedem Bieter eine schriftliche Erklärung verlangt, dass Tarif- oder Mindestlöhne gezahlt würden; dies fixiere man auch vertraglich.

Ein Sprecher des Finanz- und Wirtschaftsministeriums von Nils Schmid (SPD) sagte, man wisse, dass die EnBW externe Dienstleister einsetze; über Details sei nichts bekannt, da es sich um „rein operatives Geschäft“ handele. Selbstverständlich gehe man davon aus, „dass sich die EnBW an gesetzliche Vorgaben hält und, soweit sie es beeinflussen kann, sicherstellt, dass von ihr beauftragte Dienstleister die gesetzlichen Vorgaben einhalten“.