Der letzte wahrhafte Nachfolger des legendären Kapitalisten ist im Alter von 101 Jahren in New York gestorben

New York - David Rockefeller erinnerte sich bis ins Alter gerne an seinen Großvater, an gemeinsam verbrachte Sommertage im 107 Zimmer großen Landsitz der Familie in Maine. John D., der Schöpfer eines der atemberaubendsten Vermögen aller Zeiten, so David, habe dann immer ihn und seine Geschwister auf den Schoß genommen und ihnen Geschichten erzählt. Und wenn sie sich gut benommen haben, bekamen sie von Opa ein Zehn-Cent-Stück zugesteckt.

 

David Rockefeller, der Anfang der Woche in New York im Alter von 101 Jahren verstarb, hinterlässt zwar Nachfahren – der Rockefeller-Clan ist nicht ausgestorben –, aber in vielerlei Hinsicht war David der letzte wahrhafte Nachfolger des legendären Kapitalisten John D. Rockefeller. Wie sein Großvater und sein Vater begriff David Rockefeller seinen unermesslichen Reichtum sowohl als Verpflichtung als auch als Chance, eine öffentliche Rolle zu spielen und das Gemeinwohl zu lenken.

Er war ein Gentleman-Bankdirektor der alten Schule

Im Geschäftsleben war David Rockefeller Direktor der Chase Manhattan Bank, einer der größten Finanzinstitutionen der USA. Doch der Erbe von John D. Rockefellers Ölmilliarden hatte größere Ambitionen. So wurde David Rockefeller oft dafür kritisiert, dass er seinen Posten nicht mit dem nötigen Ernst wahrnehme. Er war ein Gentleman-Bankdirektor der alten Schule, der zu Vorstandssitzungen auftauchte und dann wieder verschwand.

Seine Energien flossen in andere Richtungen. So reiste Rockefeller viel und gerne um die Welt, um sich mit Staatsoberhäuptern zu treffen und mithilfe seiner finanziellen Macht amerikanische Interessen zu vertreten. Unter den US-Präsidenten von Kennedy bis Carter war er ein inoffizieller diplomatischer Vertreter der USA, der sich gleichzeitig für seine Bank und sein Land einsetzte. Zu Hause in New York beschäftigte er sich gerne mit den Geschicken des Museum of Modern Art , das seine Mutter Abby Aldrich Rockefeller gegründet hatte. Mit Leidenschaft wirkte Rockefeller als Vorstand des Museums daran mit, die Sammlung zu einer der größten und bedeutendsten der Welt auszuweiten.

Das heutige gentrifizierte New York wäre ohne David Rockefeller nicht denkbar

Rockefellers größte Leidenschaft gehörte jedoch seiner Heimatstadt New York. Wie schon sein Vater wollte David Rockefeller der Metropole seinen Stempel aufdrücken. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg musste er das langsame Sterben des Finanzdistriktes im unteren Manhattan miterleben, wo seine Bank ihren Stammsitz hatte. Der Abzug des Hafens und der dortigen Industrie- und Handwerksbetriebe ließen das untere Manhattan verkommen. Rockefeller entschloss sich früh, die Umwandlung der urbanen Wirtschaft in eine reine Finanz-und Dienstleistungsökonomie voranzutreiben. Dazu gründete er 1958 die Lower Manhattan Development Corporation – eine Partnerschaft aus Staats- und Stadtregierung und privaten Unternehmen. Die Vereinigung führte zur Expansion der Finanzbranche im unteren Manhattan und zum Bau des World Trade Center und des World Financial Center.

Die Public-private-Partnership wurde zum Paradigma der Stadtentwicklung von New York und anderen Großstädten. Viertel nach Viertel wurde saniert und aufgewertet. Die heutige gentrifizierte Stadt wäre ohne David Rockefeller nicht denkbar. Sein Sohn David jr. engagiert sich zwar ganz in der Familientradition für philantropische Belange – von globaler Sicherheit bis hin zur Durchsetzung des Wahlrechts für Minderheiten, ein amerikanischer Großkapitalist mit selbst auferlegtem öffentlichem Auftrag vom Schlage seines Vaters ist er aber nicht. In dieser Hinsicht war David Rockefeller der Letzte seiner Art.