Berlins Regierungschef Klaus Wowereit hat ein paar Annehmlichkeiten genossen. Das bringt ihn weiter in die Defensive.

Berlin - Es klingt nach Selbstverteidigung und versuchtem Befreiungsschlag, wenn Berlins Regierungschef Klaus Wowereit, SPD, jetzt darauf pocht, Politikern müsse doch wohl möglich sein, Kontakte zu pflegen und Freundschaften aufrechtzuerhalten. Gebongt, auch aus der Sicht des Grünen-Abgeordneten Dirk Behrendt. Aber der will sich nicht mit allgemeinen Statements begnügen, sondern „endlich eine sachliche Debatte darüber anschieben, was Politiker beim Zusammentreffen mit der Wirtschaft dürfen und was nicht“. Anders gesagt, wie viel Abstand ist nötig, um dem bösen Anschein der Interessenverwicklungen entgegenzuwirken?

 

Zunächst müsse aber auf den Tisch, was bisher gelaufen ist. Mit seiner Antwort hat sich Wowereit nach Ansicht von Behrendt reichlich Zeit gelassen. Der grüne Oppositionspolitiker hatte den Regierungschef mit einer Frage im Berliner Parlament nach den Kontakten des Regierungschefs zum Eventmanager Manfred Schmidt überrascht. Die Frage lag nahe. Schließlich hat Schmidt eine Wahlkampfparty für Wowereit gegeben, und bekanntermaßen steht Schmidt im Verdacht, den ehemaligen Sprecher von Christian Wulff mit kostenlosen Urlauben bestochen zu haben.

Schließlich ließ der Regierende Bürgermeister mitteilen, vor Jahren einen Kurzurlaub auf der Finca von Schmidt verbracht zu haben. Dann räumte Wowereit zunächst einen und während einer Pressekonferenz einen zweiten Flug im Privatjet des früheren Bahn-Chefs Heinz Dürr nach London ein, zu Veranstaltungen des Berliner Capital Club in den Jahren 2002 und 2003. Behrendt erwartet nun, dass Wowereit nicht wie bisher häppchenweise informiert, sondern in der Sitzung des Parlaments in der kommenden Woche reinen Tisch macht.

Die Antwort: „Das machen doch alle so.“

Für die beiden Flüge nach London hat Wowereit jeweils den Gegenwert eines normalen Flugtickets an wohltätige Organisationen gestiftet, damit man ihm nichts nachsagen kann. Und auf Schmidts Einladung auf die malerische Finca in der Nähe Barcelonas hätte er heute anders reagiert – ein Blick zurück, wie ihn derzeit vermutlich mancher Politiker tut. Hat auch Wowereit „gewulfft“? Häufig werden in diesen Tagen in Berlin Passanten von der Presse zu ihrer Meinung nach Luxuseinladungen für Politiker befragt. Nicht selten lautet die Antwort: „Das machen doch alle so.“

Für den Regierenden kommt die Affäre denkbar ungelegen. Bisher konnte er in der neuen Großen Koalition mit den Christdemokraten und deren Innensenator, Wowereit-Stellvertreter Frank Henkel an der Spitze, relativ kommod regieren. Nun aber wird es ungemütlich, weil die eigene Partei aufmuckt. Gerade hat Klaus Wowereit ein Machtwort gesprochen und mit seiner SPD-Arbeitssenatorin Dilek Kolat einen Senatsbeschluss präsentiert, nach dem es bei den überwiegend vom Bund geförderten Jobs für Langzeitarbeitslose bei einem Stundenlohn von 7,50 Euro bleiben soll. Er hat die Christdemokraten auf seiner Seite. Die SPD-Fraktion mit ihrem neuen, dem linken Flügel angehörenden Vorsitzenden Raed Saleh dagegen hatte mit knapper Mehrheit für eine Erhöhung der Löhne auf 8,50 Euro gestimmt. Zumindest einen Kompromiss hätte Saleh erwartet, und es kann durchaus sein, dass es bei der im Parlament anstehenden Haushaltsdebatte turbulent zugeht. Auch Wowereits Freund Michael Müller, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, wackelt. Müller ist auch Vorsitzender der Landespartei, doch beim Parteitag der Sozialdemokraten im Sommer wird mit einem Gegenkandidaten des linken Flügels gerechnet.

Trotz allem hat Wowereit seinen Humor noch nicht verloren. Wer saß denn noch im Flieger nach London, wurde er gefragt. „Der Pilot“, sagte der Regierende. Noch kommt er mit solchen Antworten durch.