Manche wollen nicht ins Netz, aber viele können es gar nicht. Etwa jeder Vierte in Deutschland hat keinen Zugang zum Internet: vor allem benachteiligte Jugendliche und Senioren. Für sie gibt es Hilfsangebote.

Stuttgart - Im Wissenschaftsjahr 2014, das der digitalen Gesellschaft gewidmet ist, kristallisiert sich ein Problem heraus: rund ein Viertel der Menschen in Deutschland nehmen an der digitalen Gesellschaft überhaupt nicht teil. Das Phänomen wird als digitale Spaltung bezeichnet: Nicht jeder hat Zugang zu Computern, Smartphones und dem Internet. Drei von vier Menschen über 14 Jahren nutzen das Internet – rund 16 Millionen Bürger tun das aber nicht. Es ist auch eine Frage des Alters: Bei den Senioren über 70 Jahren sind es sogar 70 Prozent. Daran hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren auch nicht mehr viel verändert.

 

Menschen, die nicht am digitalen Leben teilnehmen können, sind dadurch benachteiligt. So sind beispielsweise bei Buchungen von Flugreisen oder Bahnfahrten die Preise im Reisebüro oder am Schalter oft höher als online. Konten mit guten Zinskonditionen und Karten für viele Veranstaltungen sind sogar nur noch im Internet erhältlich. Außerdem werden im Netz Informationen über potenzielle Arbeitgeber eingeholt und Bewerbungen verschickt. Ganz zu schweigen von den Wissens- und Bildungschancen, die das Internet bietet.

Nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts geht die Hälfte der Deutschen sogar davon aus, das Studenten in zehn Jahren nur noch online studieren werden. Und trotzdem: gerade bei den sozial Schwachen wird von der Bundesregierung genau in diesem Bereich gespart. „Viele Leute haben schlicht kein Geld für einen eigenen Computer und einen Internetanschluss“, sagt Christian Woltering vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. „Nimmt man die zum Beispiel Leute, die Harz IV bekommen, so reichen die für Telekommunikation angesetzten Kosten von 6,15 Euro monatlich weder für einen eigenen Internetanschluss noch für einen Computer.“

Jugendliche mit Netzzugang sind im Vorteil

Die Kommunikationswissenschaftlerin der Stiftung Digitale Chancen, Jutta Croll, sieht aber auch andere Schwierigkeiten neben dem Geldmangel. „Der Hauptgrund für die Nichtnutzung oder die wenig kompetente Nutzung des Internets liegt zumeist in der mangelnden Erfahrung und den fehlenden Möglichkeiten zum Kompetenzerwerb“, sagt sie. „Man entscheidet sich für die Nutzung des Mediums Internet erst, wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass es einem etwas bringt. Menschen, die in Befragungen Ängste gegenüber dem Internet äußern, haben meistens keinerlei Erfahrung mit dem Medium.“

Deshalb versucht die Stiftung, abgehängte Menschen an das Internet heranzuführen. Beispielsweise in dem Projekt „Tablet-PCs für Seniorinnen und Senioren“, bei dem die Stiftung mit dem Mobilfunkanbieter E-Plus und der Senioreneinrichtung Augustinum in Stuttgart in den vergangenen Monaten zusammengearbeitet hat. Der Kernpunkt: Senioreneinrichtungen erhalten für vier Wochen zehn Tablet-PCs mit Mobilfunkkarten. Unter Anleitung von Mitarbeitern und Schülerpaten sollen die älteren Menschen die Leihgeräte ausprobieren. Zwei Geräte bleiben in den Einrichtungen. „Durch diese Maßnahme konnten nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Deutschland Hunderte Seniorinnen und Senioren für die Nutzung des Internets begeistert werden“, berichtet Croll.

Doch die Angebote richten sich nicht nur an ältere Menschen. Zwar sind praktisch alle Jugendlichen regelmäßig online, aber sie nutzen das Online-Angebot sehr unterschiedlich. „So ist die Nutzung des Internets bei Jugendlichen mit niedrigem Bildungsniveau eher unterhaltungsorientiert, bei höherem Bildungsniveau aber eher informationsorientiert“, sagt Croll. „Das hat weit reichende Konsequenzen: Wer sich mit dem Internet Zugang zu Bildung und Wissen verschaffen kann, hat einen deutlichen Vorsprung, der sich sowohl in der Berufswahl und Berufsleben als auch in der Alltagsbewältigung auswirkt.“

Für Senioren kann das Internet eine große Hilfe sein

In einer Einrichtung für sozial benachteiligte Jugendliche in Berlin hat die Stiftung pädagogische Fachkräfte dafür qualifiziert, sich mit der Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen auseinanderzusetzen und ihnen bei Gefahren zur Seite zu stehen. Für die Jugendlichen ist das eine entscheidende Chance, ihre Qualifikationen für den angestrebten Beruf zu erhöhen. „Denn ohne den Umgang mit digitalen Medien geht in der modernen Berufswelt fast gar nichts mehr“, meint Croll. Auch das Bundesforschungsministerium sieht hier ein Problem und fördert bis 2015 ein Projekt zur Stärkung der berufsbezogenen digitalen Medienkompetenz bei Jugendlichen. Zu der heterogenen Zielgruppe zählen benachteiligte Jugendliche wie auch Lernbehinderte und Jugendliche mit Migrationshintergrund. „Im Wesentlichen weiten wir mit den Auszubildenden private Medienkompetenzen, die sie im privaten Bereich schon besitzen, in den beruflichen Bereich aus“, sagt der Projektleiter Christian Pfeffer-Hoffmann. Der Medienpädagoge zeigt den Jugendlichen etwa, wie man eine App mit den Arbeitsschutzrichtlinien benutzt oder wie man in einem Blog seine Arbeitsschritte dokumentiert.

Anders als die Stiftung Digitale Chancen, die auch Mittel des Bundes erhält, finanziert sich das Senioren-Net Stuttgart aus den Beiträgen seiner Mitglieder. Der Club hat sich das Ziel gesetzt, Menschen ab 50 Jahren den Umgang mit Neuen Medien zu erleichtern. „Dabei geht es uns vor allem darum, den Senioren Anwendungen anzubieten, die sie in ihrem Leben auch wirklich brauchen“, sagt Manfred Jutte, Mitglied des Leitungsteams. „So bieten wir beispielsweise regelmäßig im Generationenhaus Stuttgart-Heslach ein betreutes Surfen im Internet für Mitglieder und Nichtmitglieder an“, berichtet er.

Zusätzlich berät das Senioren-Net ältere Menschen beim Kauf von Hard- und Software sowie beim Betrieb ihrer privaten Computeranlage. Gerade für Menschen, die aufgrund von Gebrechen oder Krankheiten nicht mehr so mobil sind, ist ein eigener Computer eine riesige Hilfe. Einer 77-jährigen, gehbehinderten Frau aus ihrem Kreis ist es nun zum Beispiel besser möglich, sich mit ihren Kindern und Enkeln kurzzuschließen oder Bücher im Internet zu bestellen. „Ich bin froh, dass ich über Skype regelmäßig mit meinem Lieblingsenkel in London kommunizieren kann“, sagt die Stuttgarter Rentnerin. „Außerdem kann ich mich jetzt wunderbar über neue Krimis informieren und diese gleich im Netz bestellen.“

Informationen und Hilfsangebote in der Region Stuttgart

Wissenschaftsjahr
Jedes Jahr ruft das Bundesforschungsministerium gemeinsam mit der Initiative Wissenschaft im Dialog eine bundesweite Veranstaltungsreihe zu einem wissenschaftlichen Thema aus. 2014 dreht sich alles um die digitale Gesellschaft. Das Programm ist unter der Adresse www.digital-ist.de zu finden.

Stuttgart
Das Senioren-Net Stuttgart bietet regelmäßig im Generationenhaus Heslach im Gebrüder-Schmid-Weg 13, 70199 Stuttgart, ein betreutes Surfen für Mitglieder und Nichtmitglieder. Für Mitglieder gibt es alle zwei Wochen am Donnerstag eine Computersprechstunde. Homepage: www.seniorennet-stuttgart.de Anfragen werden unter der E-Mail-Adresse kubillus-mader@snst.de und unter der Telefonnummer 07 11 / 69 17 79 beantwortet.

Region Stuttgart
Weitere Angebote: PC-Senioren Ludwigsburg, 0 71 41/9 10 20 14, Mail: pcseniorenlb@gmx.de, www.pc-senioren-lb.de. Sowie: Reutlinger Computer Oldies, 0 71 29/ 6 02 91, Mail: info@reutlinger-computer-oldies.de, Website: www.reutlinger-computer-oldies.de .