Peggy Guggenheim war eine wohlhabende Erbin, die wilde junge Künstler lieber mochte als New Yorker Geldmenschen. Dieser Dokumentarfilm zeigt aber auch, dass sie mehr von Kunst verstand als viele Experten.

Stuttgart - Aus vielen Sätzen, die hier fallen, könnte man das Porträt einer Todunglücklichen, einer im Leben völlig Gescheiterten zusammensetzen. „Sie war sehr einsam“, heißt es da, „sie wurde von vielen nur ausgenutzt“, „sie hatte viele Minderwertigkeitskomplexe“. Und über die Gefühle ihres Ehemannes: „Sie war ihm komplett egal.“ Aber die Rede ist von der großen Galeristin und Kunstsammlerin Peggy Guggenheim (1898–1979), und die begegnet uns in „Peggy Guggenheim – Ein Leben für die Kunst“ als starke Frau, die viel aushalten musste, aber tatsächlich auch viel Glück empfand.

 

Leicht hätte alles anders kommen können, denn die Tochter einer schwerreichen New Yorker Familie musste Schicksalsschläge hinnehmen wie die Figur eines Melodrams. Ihr Vater ging mit der „Titanic“ unter, eine ihrer beiden Schwestern starb im Kindbett, die andere warf nach einer Scheidung vermutlich ihre beiden Kinder vom Hochhausdach, was offiziell als Unfall abgeheftet wurde. Die Reihe der Gruselgeschichten ließe sich fortsetzen.

Die Begüterte und die Extremisten

Die junge Peggy Guggenheim aber entdeckte die moderne Kunst, die damals etablierten Sachverständigen als Müll und Geschmiere galt. Und die wilden jungen Surrealisten, Dadaisten und sonstigen Oppositionsextremisten entdeckten Guggenheim als begüterte Frau, die Alkohol, Essen und Zimmermieten spendieren konnte.

Zeitweilig mag die Zuneigung beidseitig aufrichtig gewesen sein, aber Guggenheim machte sich davon nicht abhängig. Sie genoss den rebellischen Geist der Künstler und deren Werke so, dass man wohl nicht mehr von einem einseitigen emotionalen Ausbeutungsverhältnis sprechen kann. Was immer sie geben musste, sie holte sich viel zurück. Sie war aber weder ein reiches Partygirl noch eine gewiefte Spekulantin, die früh das Richtige kaufte. Viele ihrer Bilder hat sie später Museen geschenkt. Dass Werke von Jackson Pollock, für die sie zwei- bis sechshundert Dollar bezahlt hatte, nun Millionen wert waren, nannte sie eine ungesunde Entwicklung. Kunst sollte für Liebhaber bezahlbar bleiben.

Die burschikose Retterin

In Lisa Immordino Vreelands „Peggy Guggenheim“ kommen Weggefährten und Freunde zu Wort, vor allem aber die Porträtierte selbst. Das Rückgrat des Films bilden die lange verschollenen Bänder des letzten Interviews, das Guggenheim Ende der Siebziger ihrer Biografin Jacqueline B. Weld gegeben hat.

Ihrer ironischen, burschikosen, uneitlen und doch auf Schockwirkungen bedachten Selbstbeschreibung zuzuhören ist das pure Vergnügen. Da spricht die Frau, die 1940 aus Frankreich viele moderne Kunstwerke und Künstler vor den Nazis gerettet hat, unter anderem Max Ernst, den sie dann heiratete, über ein kunstpralles Leben. Aber auf die Frage, ob sie Künstler wie Max Ernst vermisse, entgegnet die alte Dame, nein, sie wäre nur gerne wieder jung genug für Liebhaber.