Die Stadt Stuttgart wird in den kommenden beiden Jahren und darüber hinaus in vielen Bereichen kräftig investieren müssen. Der Oberbürgermeister Fritz Kuhn rechtfertigt dies mit dem Nachholbedarf, der durch die Konsolidierung des Haushalts in den vergangenen Jahren entstanden sei.

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat am Dienstag mit Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) den Haushaltsentwurf für die kommenden beiden Jahre sowie die mittelfristige Finanzplanung bis 2018 vorgestellt. Die Vorlagen werden am Donnerstag im Gemeinderat eingebracht und am 20. Dezember verabschiedet. Kuhn erinnerte die Ratsfraktionen an ihre Gesamtverantwortung. Im Hinblick auf die Kommunalwahl im Mai 2014 befürchtet er offenbar, dass sich mancher bei den Ausgaben hervortuen, sich am Ende aber nicht für die nötige Kreditaufnahme verantwortlich fühlen könnte. Der OB betonte auch, dass der Verwaltungsvorschlag seine Handschrift trage und Schwerpunkte aus seinem Wahlprogramm enthalte; andernfalls hätte man ihm sicher Drückebergerei vorgeworfen. Die politischen Schwerpunkte – Bildung, Betreuung, Wohnen, Umwelt, Verkehr und Wasserversorgung – stünden aber nicht nur auf seinem Plan, sondern würden auch von der Öffentlichkeit gefordert. 539 Millionen Euro würden über das bisher schon beschlossene hinaus bis 2018 eingeplant.

 

Die Stadt hat in den vergangenen 17 Jahren mehr als eine Milliarde Euro Schulden abgebaut, es aber darüber versäumt, ihr Anlagenvermögen in Schuss zu halten. Das rächt sich jetzt. „An nicht wenigen Stellen ist deutlich geworden, dass Stuttgart schmerzlichen Nachholbedarf hat“, sagte Kuhn und meint damit Investitionen in die Infrastruktur und ins Personal. Mehr als 100 neue Stellen soll es geben (ohne Erzieherinnen); die einzelnen Referate haben allerdings zehnmal so viel beantragt. Allein 50 Millionen Euro fließen jährlich in die Schulhaussanierung, insgesamt sind bis 2020 eine Dreiviertelmilliarde für alte und neue Schulen aufzuwenden. Sein vorgeschlagenes Maßnahmenpaket orientiere sich an den Bedürfnissen der Bürger und der Wirtschaft, so Kuhn.

Die Stadt hat zunehmend ein Einnahmeproblem

Allein mit den Überschüssen aus dem Ergebnishaushalt, in dem sich die regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben der Stadt finden, könnte in den nächsten Jahren kaum investiert werden. Sie betragen zusammen nur etwa 100 Millionen Euro. Die Stadt hat offenbar ein Einnahmenproblem: Das Niveau der Gewerbesteuer sinke, sagt Föll. 552 und 562 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren bedeuten einen Rückgang von je 80 Millionen Euro. Außerdem sprudelt die Geldquelle LBBW nicht mehr wie früher. Bis heute entgingen der Stadt 300 Millionen Euro.

Die Stadt will in den nächsten zwei Jahren 800 Millionen Euro investieren (inklusive bereits anfinanzierter Vorhaben). Dafür müssen Vermögenswerte verkauft und Schulden gemacht werden: 19,5 Millionen im nächsten und 130,5 Millionen Euro 2015 sind laut Föll und Kuhn nötig. Damit bewege sich der Etat auf einer „stabilen, noch zufriedenstellenden Grundlage“. Zwar enthält auch der aktuelle Haushalt eine Kreditermächtigung von 280 Millionen Euro, die bis heute nicht wahrgenommen wurde, der Kämmerer sagt aber, dieses Mal habe er  viel vorsichtiger kalkuliert. Eine weitere Botschaft für den Gemeinderat, der sich vor den Beratungen 2011 geärgert hatte, dass Föll viele zwingend nötige Dinge gar nicht in den Etatentwurf aufgenommen hatte und so die Finanzierungsbeschlüsse den Stadträten überließ: Dieses Mal sei alles drin, so Kuhn und der Kämmerer.

Spielraum für die Gemeinderatsfraktionen ist eingeschränkt

Welchen Spielraum haben dann überhaupt noch die Fraktionen für Projekte, die ihnen – auch im Hinblick auf die Kommunalwahl – wichtig sind? Er müsse ja nicht alles beschließen, was vorgeschlagen worden sei, sagte der OB. Zusätzliche Forderungen könnten durch Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden. Legt man die Kredithöhe des ursprünglichen Entwurfs von 256 Millionen Euro zugrunde (aktuell nur noch 150 Millionen), bliebe den Fraktionen Spielraum. Dieser werde aber im Verwaltungsausschuss noch mit den Fraktionen vorbesprochen.

Viel mehr Sorgen als der nächste Etat bereitet die mittelfristige Finanzplanung. Es wird damit gerechnet, dass die Gewerbesteuer weiter einbricht und die Ergebnishaushalte 2016 bis 2018 ein Defizit von 260 Millionen Euro aufweisen. Richtig nachhaltig wäre ein jährlicher Überschuss von 200 Millionen Euro. Deshalb ist in diesen Jahren geplant, 312 Millionen Euro weitere Schulden aufzunehmen. Föll bestätigte aber auf Nachfrage, dass alles ganz anders kommen könnte: Würde die Bürgschaft für die „toxischen Papiere“ der LBBW nicht in Anspruch genommen werden müssen, erhielte die Stadt in einigen Jahren rund 360 Millionen Euro zurück.

Ungeachtet dessen hält es die Rathausspitze für erforderlich, den Haushalt strukturell zu verbessern. Es muss also gespart werden. Aber wo und bei wem? Bei dieser Frage werde er sich nicht drücken, sagt Fritz Kuhn. Er freue sich schon richtig auf die Haushaltsdebatten.