Die Kolonnen von dubiosen osteuropäischen Spendensammlern ziehen verstärkt durch die Stadt. Die Grenzen zwischen lästiger Bettelei, Betrug und Diebstahl sind fließend. Polizei und Justiz müssen sich besser darauf einstellen, findet unser Polizeireporter Wolf-Dieter Obst.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Es ist kein Wunder, dass die vermeintlichen Spendensammler aus Osteuropa immer dreister vorgehen. Mit ihren fingierten Spendenlisten, die bei günstiger Gelegenheit auch als Sichtschutz für Taschendiebstähle genutzt werden, ziehen sie aufdringlich über belebte Supermarkt-Parkplätzeund Haltestellen, um die Geldbörsen argloser Passanten zu leeren. Konsequenzen müssen sie selten befürchten. Sehr barmherzig.

 

Polizei und Justiz zeigen sich einigermaßen hilflos. Weil es für Sammlungen seit 2011 keine Genehmigung mehr braucht, tun sich die organisierten Kolonnen noch leichter mit ihrer Masche. Und wenn dann mal einzelne Verdächtige erwischt werden, gibt es selten etwas, das ihnen als strafbar nachgewiesen werden könnte.

Doch mit dieser Begründung machen es sich die Ermittlungsbehörden zu leicht. Bei Taschendieben und Ladendieben hatte man früher ähnlich argumentiert – bis man auf täterorientierte Ermittlungen setzte. Was da im Namen der Barmherzigkeit abläuft, ist in Wirklichkeit ein gewerbsmäßiger Diebstahl oder Betrug, der den Strafrahmen erheblich erhöhen würde. Die Täter umgehen das aber – indem man bei ihnen nur „geringwertige Sachen“ findet. Ist die Beute billiger als 50 Euro, greift die Gewerbsmäßigkeit nicht.

Es wäre sehr geholfen, wenn die Polizei zentrale Ermittlungen führen würde. Bei Taschendieben hat eine solche täterorientierte Spezialisierung mit einer sogenannten Besonderen Aufbauorganisation schon weitergeholfen. Man sollte nicht unterschätzen, wie sehr das Sicherheitsgefühl leidet, wenn der Bürger auf der Straße, in der S-Bahn und an der eigenen Haustür den aufdringlichen Trupps gegenübersteht. Es ist geradezu ein Hohn, dass die Opfer sich hinterher auch noch dafür schämen, hereingelegt worden zu sein. So viel Barmherzigkeit haben die Täter nicht verdient. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.strengere-kontrollen-in-stuttgart-betrueger-und-bettler-wandern-in-die-region-ab.cec9fbc9-8035-422e-a816-50de5a4f6a16.html http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.betruegerische-spendensammler-spenden-betrueger-kommen-ungeschoren-davon.c5ab1788-e901-4865-8bd6-160bb9183bc5.html

wolf-dieter.obst@stzn.de