Der Verein Aus:sicht in Esslingen lockt seit 13 Jahren Sehende in ein Dunkelrestaurant. Weil die Nachfrage nach einem kulinarischen Ausflug in die Blindenwelt so hoch ist, bietet der Verein das Angebot auch in anderen Restaurants an.

Esslingen - Einmal zu spüren, wie es sein muss, wenn man blind ist. Diese Erfahrung kann man im Alltag kaum machen. Anders ist das im Dunkelrestaurant, dass der Esslinger Verein Aus:sicht nun schon seit vielen Jahren mit großem Erfolg nicht nur in Esslingen anbietet.

 

Barbara Antonin, die Vorsitzende des Vereins Aus:sicht und bis vor Kurzem noch die Öffentlichkeitsarbeiterin im Esslinger Kulturamt, ist verantwortlich für das Dunkelrestaurant. Sie ist sehr zufrieden, wie sich das Angebot mittlerweile in der Stadt etabliert hat: „Vor 13 Jahren haben wir das Dunkelrestaurant zunächst als einmaliges Pilotprojekt gestartet“, erinnert sie sich. Doch wegen der großen Nachfrage bieten der Verein und seine Mitarbeiter die Gerichte im Dunkeln nun in regelmäßigen Abständen im Esslinger Restaurant Reichsstadt sowie in anderen Gaststätten in der Region an.

Monate im voraus ausgebucht

Wer einen Platz im Dunkelrestaurant ergattern will, muss meist frühzeitig aktiv werden: „Wir haben eine sehr hohe Auslastung und sind meist schon Monate im voraus ausgebucht“, berichtet Barbara Antonin. Wie viele Menschen pro Abend im Dunkeln Platz finden, verrät sie indes nicht: „Zu dem Erlebnis im Dunkeln gehört auch, sich die Aufteilung des Raums und seine Größe nur durch Geräusche zu erschließen“, sagt sie.

Im Dunkelrestaurant wird das Essen zwar von Sehenden zubereitet, die Bedienung übernehmen aber ausschließlich blinde und stark sehbehinderte Menschen. „Wir wollen durch unser Angebot sensibilisieren“, sagt Barbara Antonin. „Die Gäste erfahren sehr viel vom Servicepersonal und haben das Gefühl, nicht alleine und hilflos im Dunkeln gelassen zu werden. Oft entsteht daraus auch eine starke Bewunderung dafür, wie blinde Menschen in ihrem Alltag zurechtkommen.“

Es sei nach wie vor wichtig, dass die Welt von Blinden in die Welt von Sehenden gebracht werde. Arbeitgeber stünden der Beschäftigung von Blinden oft immer noch skeptisch und zurückhaltend gegenüber. Antonin: „Klassische Berufsschreiber, als die Blinde früher häufig gearbeitet haben, werden durch die technischen Möglichkeiten nicht mehr benötigt.“ Dabei könnten Blinde mit der richtigen technischen Ausstattung ohne Weiteres für Büroberufe am Computer eingesetzt werden.

Zumindest temporär kann der Verein durch das Dunkelrestaurant Arbeitsplätze für blinde und sehbehinderte Menschen schaffen. Ein Team von rund 30 Mitarbeitern übernimmt die Bewirtung. „Viele unserer Mitarbeiter sind schon von Anfang an dabei“, berichtet Antonin. Über den Verein hat sie die Möglichkeit, an weitere Arbeitskräfte für das Dunkelrestaurant zu kommen. Nach einer Schulung und einer Einweisung sind die Mitarbeiter dann bereit für ihren Einsatz.

Bedienen mit Schnalzgeräuschen

Jennifer Eilber, die vor drei Jahren vollständig erblindet ist, hat diese Schulung durchlaufen und übernimmt nun das Bedienen im Restaurant. Vor dem Einlass der Gäste hat sie den Raum vier Mal durchschritten. Jetzt findet sie sich ohne Probleme zurecht. Mit Hilfe von Schnalzgeräuschen signalisiert sie den anderen Servicekräften, dass sie in der Nähe ist. „Das ist besonders wichtig, da es sonst zu Zusammenstößen kommen kann“, erklärt sie. „Grundsätzlich sollte das Servicepersonal natürlich kommunikationsfreudig, offen und teamfähig sein“, sagt Barbara Antonin.

Durch ihre Tätigkeit im Esslinger Kulturamt kam Barbara Antonin mit dem Thema in Verbindung und engagiert sich seither im Verein. „Neben dem Dunkelrestaurant versuchen wir als Verein, die blinden Menschen so gut es geht zu unterstützen, und begleiten sie zum Beispiel auf Ämter“, sagt sie. „Zusätzlich bringen wir uns auch bei Bauprojekten wie dem Busbahnhof ein, um diese möglichst blindenfreundlich zu gestalten.“ Trotz der hohen Auslastung und den positiven Rückmeldungen der Besucher möchte Antonin das Angebot des Dunkelrestaurants vorerst nicht weiter ausbauen. Allerdings wünscht sie sich eigene Räume für den Verein Aus:sicht: „In einem eigenen Dunkelraum könnten wir zum Beispiel Seminare für Firmen oder Schulen anbieten, um die Gesellschaft noch mehr für das Leben mit einer Sehbehinderung zu sensibilisieren.“