Pünktlich zum 50. Jubiläum seines Meistertitels könnte Eintracht Braunschweig in die Fußball-Bundesliga zurückkehren. Doch Trainer Torsten Lieberknecht schaut erstmal in die Abstiegszone der Liga. Was zeichnet den potenziellen Aufstiegskonkurrenten des VfB Stuttgart in der zweiten Liga aus?

Braunschweig - Nach 67 Minuten wird das Braunschweiger Stadion bei jedem Spiel der heimischen Eintracht zum Schauplatz einer fast schon heiligen Prozession. Die Zuschauer erheben ihre Schals und stimmen dazu ein Lied an, das an den größten Erfolg des Clubs erinnert, an den Gewinn der deutschen Meisterschaft eben im Jahr 1967. Der Verein zieht bis heute einen großen Teil seiner Identität aus diesem Triumph, für viele Anhänger ist der Titel ein Ausweis von Tradition und Geschichte – und der Beweis dafür, dass die Braunschweiger der einzig wahre Club im Osten Niedersachsens sind, nicht etwa der neureiche Nachbar aus Wolfsburg.

 

Im Moment feiert die blaugelbe Gemeinde allerdings nicht nur die Vergangenheit, auch die Gegenwart gibt Grund zur Freude. Eintracht Braunschweig führt die Zweitligatabelle nach neun Spieltagen souverän an und steuert in Richtung Aufstieg. Durch den 1:0-Erfolg gegen den 1. FC Kaiserslautern dank des Freistoßtreffers des slowenischen Nationalspielers Nik Omladic baute die Mannschaft ihren Vorsprung aus, vier Punkte beträgt der Abstand auf den ersten Verfolger aus Heidenheim. So herrscht beim örtlichen Publikum eine Euphorie, als sei der nächste Titel nahe. Die Spieler aus Kaiserslautern hatten nach dem Ende der Partie schon ihre Analysen in der Interviewzone unter der Haupttribüne getätigt und waren in der Kabine verschwunden, da feierten die Braunschweiger noch immer mit ihren Fans, durch den Spieltunnel donnerten die Gesänge der Zuschauer nach drinnen.

Lieberknechts Status als Stadtheiliger ist unabhängig von sportlichen Wellenbewegungen

Die Profis versuchen, sachlich mit ihrem Erfolg umzugehen. Es ist viel davon zu hören, dass das Tabellenbild nur eine Momentaufnahme sei, dass es ganz schnell gehen könne, nur zwei Niederlagen, dann sähe die Sache schon wieder anders aus. „Wir wollen gar nicht erst den Schlendrian reinbringen, sondern einfach unsere Spiele gewinnen“, sagte Braunschweigs Kapitän Marcel Correia. Und es gibt aktuell keine Anhaltspunkte dafür, warum das nicht auch weiter gelingen sollte. Der Sieg gegen Kaiserslautern war unspektakulär, aber zu keiner Sekunde gefährdet. „Wir waren geduldig und haben in der Defensivarbeit fast keine Fehler gemacht“, sagte Trainer Torsten Lieberknecht. Das Thema Aufstieg? „Ich habe es ja nicht so mit Träumereien. Ich sehe nur, dass wir jetzt 22 der von uns angestrebten 40 Punkte haben.“

Lieberknecht ist das Gesicht des Clubs. Seit 2008 steht er in Braunschweig an der Seitenlinie, führte die Mannschaft 2013 schon einmal in die Bundesliga – und blieb im Amt, obwohl nach nur einer Saison schon wieder die Rückkehr in die Zweitklassigkeit stand. Die Braunschweiger widersetzen sich gerne den so genannten Mechanismen der Branche. Lieberknechts Status als Stadtheiliger ist unabhängig von sportlichen Wellenbewegungen, und das soll auch so bleiben. Gerade hat er seinen Vertrag bis 2020 verlängert und dafür wohl finanziell bessere Angebote ausgeschlagen.

„Ich bin sehr zufrieden mit der Mannschaft, dem Verein, allen Beteiligten. Das ist mir mehr wert als monetäre Dinge“, sagte er. Was ihn antreibt, sind die Erinnerungen an den ersten Bundesliga-Aufstieg mit den Braunschweigern. Diese Erinnerungen will er am Ende dieser Saison auffrischen. „Gefühle, die Aufstiege freisetzen – die möchte man noch einmal erleben“, sagte er.

Vorfreude auf das brisante Derby gegen Hannover

Die Braunschweiger stehen auch deshalb so gut da, weil die Integration der Zugänge funktioniert. Spieler wie der Norweger Gustav Valsvik, der Schwede Christoffer Nyman, der Deutsch-Kubaner Onel Hernández oder Quirin Moll haben direkt wichtige Rollen eingenommen. Bester Schütze mit sechs Saisontoren ist Domi Kumbela, der schon zum dritten Mal in seiner Karriere in Braunschweig spielt.

Die kommenden Gegner sind Greuther Fürth und Dynamo Dresden, danach steht schon das Derby gegen Hannover 96 im Kalender. Es gibt im deutschen Fußball kaum eine schärfere Fan-Rivalität, und der Braunschweiger Anhang stimmte sich bei der Partie gegen Kaiserslautern schon einmal auf das Treffen mit dem verhassten Nachbarn ein. Nur ein paar Minuten, nachdem mit erhobenen Schals an die Meisterschaft 1967 erinnert worden war, stimmte der harte Kern des Publikums einen Gesang gegen die Hannoveraner an, der so derb war, dass sogar der Stadionsprecher einschritt.