Im Kampf gegen die Konkurrenz neuer Shoppingcenter und des Internets sind die Stuttgarter Händler verzweifelt auf der Suche nach einer Überlebensstrategie. Eine Chance soll der Verkauf an Sonntagen sein.

Stuttgart - Zalando-Mitgründer Oliver Samwer prognostiziert, dass 80 Prozent des stationären Einzelhandels bald der Vergangenheit angehören, heißt es zur Begrüßung bei der Tagung des Handelsverbands Baden-Württemberg am Dienstag in Stuttgart. Im Kampf gegen die Konkurrenz neuer Shoppingcenter und des Internets sind die Händler verzweifelt auf der Suche nach einer Überlebensstrategie. Eine Chance soll der Verkauf an Sonntagen sein.

 

Alle Waren können digital gehandelt werden

„Alles was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert“, erklärt Nicole Srock.Stanley, die Geschäftsführerin der renommierten Marketingagentur Dan Pearlman. Sie meint damit, dass sämtliche Güter, vom Flachbildschirm bis zu Lebensmitteln, am Ende lediglich Güter sind. „Somit fallen diese Waren in den Bereich der Logistik und lassen sich schlussendlich digitalisieren“, erklärt sie. Die einzige Chance für den Einzelhandel sei es nach Ansicht von Srock.Stanley, dass sich das Selbstverständnis des Handels wandelt. „Sie müssen sich künftig als Freizeitunternehmer und nicht mehr vorrangig als Verkäufer verstehen“, sagt sie. Ladengeschäfte müssten zu Freizeitzielen werden, erklärt die Agenturchefin. In Bezug auf die Entwicklungen in Stuttgart sagt sie: „Einkaufszentren, wie die der ECE, sind jedenfalls keine solchen Destinationen.“ Die Zukunft von Milaneo und Co. sieht Srock.Stanley somit eher düster.

Frank Hofmeister, der Chef der gleichnamigen Möbelhauskette, sieht die Chance des Einzelhandels hingegen unter anderem in verkaufsoffenen Sonntagen. „An diesem Tag machen die Internethändler den größten Umsatz“, sagt er und fügt an: „Es wäre also nur gerecht, wenn wir künftig auch sonntags öffnen dürften.“ Gegen diese Forderung haben unter anderem die Kirchen in der Vergangenheit klar Stellung bezogen. Stuttgarts katholischer Stadtdekan Christian Hermes sowie der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig haben sich bereits mehrfach deutlich gegen verkaufsoffene Sonntage ausgesprochen.

Abrechnung mit der Handelsbranche

Den Grund für die Probleme des Handels erklärt der Inhaber des Bekleidungsherstellers Trigema, Wolfgang Grupp, so: „Die Mehrheit der Einzelhändler hat ihre Aufgabe nicht verstanden.“ Die Otto-Tochter ECE habe mit einem Projekt wie dem Milaneo in Stuttgart nur eine Chance gehabt, so Grupp, weil die Händler auf der Königstraße den Wandel der Zeit nicht erkannt haben: „Früher war die Königstraße noch etwas Exklusives und hatte eine hohe Anziehungskraft.“

Grupp machte aus seinem Vortrag bei der Tagung des Handelsverbands eine Art Generalabrechnung mit der Branche. „Was mit Karstadt passiert ist, hat nur einen Grund“, sagt er, „die Manager haben versagt und Volksvermögen an einen Idioten aus Amerika verschleudert.“ Die Kaufhaus- und Versandhauskönige habe er wie viele andere scheitern sehen, wettert der Unternehmer. „Weil es im Handel so viele Versager gegeben hat, war ich gezwungen, meine Produkte selbst zu verkaufen“, sagt er. Deshalb betreibe er inzwischen 45 eigene Ladengeschäfte, so Grupp.