Mit Blick auf den neuen Gotthardtunnel sehen die Eidgenossen Nachholbedarf im Südwesten. Sowohl im Rheintal wie auf der Strecke von Stuttgart nach Zürich geht der Ausbau schleppend voran.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - In die Freude über das Erreichte beim Bau des neuen Gotthard-Basistunnels mischt sich in der Schweiz unüberhörbar die Sorge, dass die Nachbarländer ihren vertraglich fixierten Verpflichtungen beim Ausbau der Strecken Richtung Schweiz nicht nachkommen könnten. Dies wurde einmal mehr bei einem Gespräch im Stuttgarter Bahnhofsturm deutlich, bei dem sich auf Einladung der Schweizer Generalkonsulin Irene Flückiger Sutter Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), Peter Füglistaler, Direktor des Schweizer Bundesamts für Verkehr, Reto Dubach, Regierungspräsident des Kantons Schaffhausen sowie Sven Hantel, DB-Konzernbevollmächtigter in Baden-Württemberg trafen.

 

Baden-Württemberg als Nachbarland besonders in der Pflicht

Die „Bedeutung für Europa“ des Gotthard-Basistunnels wollte die Runde unter Leitung des SWR-Journalisten Harald Kirchner ausloten. Diese kontinentale Bedeutung entfaltet der längste Eisenbahntunnel der Welt, durch den von Dezember 2016 an erste reguläre Züge rollen, aber nur dann, wenn die Zulaufstrecken in einem zeitgemäßen Zustand sind. Baden-Württemberg ist dabei besonders im Fokus. Der Ausbau der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel hinkt weit dem ursprünglichen Zeitplan hinterher. Noch düsterer sieht es bei der Gäubahn aus. Die Strecke zwischen Stuttgart und der Grenze bei Singen gehöre sicherlich nicht zu den „deutsch-schweizerischen Erfolgsgeschichten“, sagte Füglistaler. „Mit halbjährlich neuen Konzepten kommen wir nicht weiter“, sagte der Schweizer Verkehrsexperte. Man müsse sich nun zusammensetzen und zu einem tragfähigen Konzept kommen, damit „es einen sehr, sehr kräftigen Ruck“ gibt.

Verkehrsminister Winfried Hermann räumte ein, dass eine Fahrzeit von drei Stunden zwischen Stuttgart und Zürich nicht attraktiv sei. Aber ganz so oft wie von Füglistaler angedeutet, habe man nicht die Marschroute gewechselt. Der Minister setzt weiterhin darauf, dass es der abschnittsweise Ausbau der Strecke, die nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Reparationen auf ein Gleis zurückgebaut wurde, im nächsten Bundesverkehrswegeplan in den vordringlichen Bedarf schafft. Um die Bedeutung der Strecke zu unterstreichen, will der Grüne nicht mehr von der „Gäubahn“ sprechen, sondern von der „internationalen Verbindung Stuttgart–Zürich“. In Berlin müsse klar werden, „dass das keine Krautbahn ist“.

Kurvenreiche Strecke spricht für Neigetechnikzüge

Wirtschaftliche Impulse verspricht sich Reto Dubach für die Regionen längs der Strecke, wenn diese erst einmal eine leistungsfähige Verbindung biete. Derzeit aber habe dieser Gotthard-Zulauf eher den Charakter eines „Trampelpfads“, befand der Vertreter des Kantons Schaffhausen. Der Stundentakt dürfe nicht mehr zur Diskussion gestellt werden, zudem dränge sich angesichts der kurvenreiche Strecke der Einsatz von Neigetechnikzügen auf.

Die Bahn will aber von 2017 mit ihren neuen Doppelstock-Intercity dort an den Start gehen. Allerdings wurde jüngst bekannt, dass die Züge nicht über die erforderliche Sicherungstechnik für den Einsatz auf dem schweizerischen Schienennetz verfügen. Diese muss erst noch eingebaut werden. Sven Hantel trat aber vehement dem Eindruck entgegen, die Bahn habe da etwas verschlafen. „Zu dem Zeitpunkt, zu dem wir die Züge bestellen mussten, waren die Anforderungen in der Schweiz noch gar nicht klar“.

Übergangsweise müssen Fahrgäste nun bei jedem zweiten Takt in Singen umsteigen. Es sei aber im ureigensten Interesse der Bahn, eine attraktive Verbindung anbieten zu können. „Die Strecke hat Potenzial“.

Kostensteigerungen auch am Gotthard

Mit Blick auf die große Baustelle am Fuß des Bahnhofsturms konnte es nicht ausbleiben, dass auch Stuttgart 21 an diesem Abend noch Thema wurde. Die Schweizer mögen doch das Erfolgsgeheimnis verraten, wie man im Kostenrahmen baue, so die Bitte aus dem Publikum. „Da gibt es kein Geheimnis“, musste Füglistaler die Erwartung ein wenig dämpfen. Der Bau des Gotthard-Basistunnels habe sich von ursprünglich angenommen acht Milliarden auf 14 Milliarden Franken verteuert.