Laut eines Vermerks ist Finanzminister Stächele beim Milliardengeschäft mit den EnBW-Aktien vor vollendete Tatsachen gestellt worden.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Finanzminister Willi Stächele (CDU) ist beim Milliardengeschäft mit den EnBW-Aktien praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Stächele wurde erst am Tag vor dem Überraschungscoup vom 6.Dezember von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) informiert. Dies hat der Minister nach StZ-Informationen selbst in einem Vermerk dokumentiert.

 

Darin schildert er in der dritten Person ("Der Unterzeichner... "), wie er am 5.Dezember - einem Sonntag - von Mappus' Staatsminister Helmut Rau (CDU) angerufen und in die Staatskanzlei bestellt wurde: Es gebe wichtige Dinge zu besprechen. Gegen 23 Uhr sei er schließlich in einen Raum gebeten worden, wo der Ministerpräsident ihn einweihte: Monatelange Gespräche hätten die Chance ergeben, die EnBW-Aktien der EdF zu kaufen, man müsse umgehend handeln. "Der Unterzeichner nahm diese Information und Rechtsberatung entgegen", heißt es weiter.

Indirekte Bestätigung der Berichterstattung

Die Stuttgarter Zeitung konfrontierte das Finanzministerium mit diversen Zitaten aus dem Vermerk und bat um Stellungnahme. Daraufhin ließ Stächele seinen Sprecher erklären: "Es verwundert, wie eine persönliche Notiz von Herrn Minister in Ihre Hände gelangt." Weder die Existenz des Vermerks noch die Richtigkeit der Zitate wurde bestritten, was als zumindest indirekte Bestätigung zu werten ist.

Laut dem Sprecher hatte Stächele trotzdem "ausreichend Zeit, um die Sach- und Rechtslage nach Information durch Herrn MP (Ministerpräsident, die Red.) intensiv mit den Vertretern der Kanzlei Gleiss Lutz und Morgan Stanley zu erörtern". Der Artikel 81 der Landesverfassung, der dem Finanzminister das für den Aktienkauf genutzte Notbewilligungsrecht zugesteht, sei schließlich "kein Neuland, sondern findet immer wieder Anwendung". In früheren Fällen ging es jedoch um ungleich kleinere Beträge; die Freigabe von Milliarden für den Aktienkauf am Landtag vorbei ist in der Landesgeschichte einmalig.

Mappus dementiert Stächeles Notizen

Um die Frage, wann der für die Notfallklausel zuständige Finanzminister unterrichtet wurde, hatte es zuletzt Anfang Februar Wirbel gegeben. Auslöser war damals eine Äußerung von Justizminister Ulrich Goll (FDP), er sei "zwei Wochen früher als andere" informiert worden. Stächele sagte dazu lediglich: "Natürlich war ich eingebunden vor der abschließenden Entscheidung im Kabinett. Im Übrigen plaudere ich nicht über die regierungsinterne Meinungsbildung." Dies wurde als Kritik an Goll gewertet.

Auch Mappus weigert sich bis heute beharrlich, den Zeitpunkt der Information von Stächele zu nennen. Seine Begründung: er wolle die Diskussion nicht verlängern. "Es werden Behauptungen in den Raum gestellt, die frei erfunden sind", sagte er im Februar zu einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur, Stächele sei erst wenige Stunden vor Vertragsschluss informiert worden. Nach dem Vermerk des Ministers trifft aber genau dies zu.

Damit erscheint es immer fraglicher, ob die Anwendung der Notfallklausel - wie die Regierung behauptet - vom Finanzministerium fundiert geprüft werden konnte. Ob sie zu Recht genutzt wurde, wird nach einer Klage der Opposition in den nächsten Monaten der Staatsgerichtshof entscheiden. Dabei wird das Gericht auch Stächele hören. Der Berliner Verfassungsrechtler Hans Meyer hatte den Vorgang in einem "Spiegel"-Interview als klar verfassungswidrig und "krassen Fall von Übermut" bezeichnet. Darin zeigt sich Meyer auch sicher, dass Stächele "sofort eine entsprechende Aktennotiz mit Datum und Uhrzeit gemacht" habe. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte es unlängst abgelehnt, Ermittlungen wegen Untreue gegen Stächele wie auch Mappus aufzunehmen.