Frankreichs Präsident Sarkozy soll in letzter Minute ein Veto aus Paris gegen den Aktiencoup abgeräumt haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart/Paris - Silke Krebs (Grüne) schien sich ihrer Sache sicher. Ob die französische Regierung beim EnBW-Deal von Exministerpräsident Stefan Mappus (CDU) eingebunden gewesen sei? Darauf habe man „keine Hinweise“, erwiderte die Staatsministerin noch vor wenigen Tagen.

 

Damals gab es allenfalls vage Indizien – etwa in dem Papier, mit dem sich Mappus von der PR-Agentur Hering Schuppener für „hässliche Fragen“ (ugly questions) wappnen ließ. Danach sollte sich der Regierungschef lobend über die Zusammenarbeit mit der Électricité de France (EdF) äußern und für die „wohlwollende Unterstützung durch die französische Regierung“ danken. Deren Vertreter sitzen immerhin in den Gremien des nach wie vor staatlich dominierten Stromkonzerns.

Seit dem Auftritt von Mappus vor dem Untersuchungsausschuss erscheint die Rolle des französischen Staates in einem neuen Licht. Die Regierung in Paris, verriet er, hätte das Milliardengeschäft fast in letzter Minute platzen lassen. In der Villa Reitzenstein wurde am Vorabend des Vertragsschlusses gerade ein Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von ihm vorab über den Aktiencoup informiert, als die Schlussverhandlungen eine „dramatische Entwicklung“ nahmen. Der französische Industrieminister, berichtete Mappus, habe sein Veto eingelegt, das kaum noch zu stoppende Geschäft stand plötzlich „auf Messers Schneide“. Erst nach mehreren Stunden und dem Einsatz „höchster Stellen in Frankreich, um nicht zu sagen: der höchsten Stelle“, sei das Plazet des Ministers – Eric Besson sein Name – doch noch gekommen.

Spannung vor Notheis’ Auftritt

Hat also Staatspräsident Nicolas Sarkozy höchstpersönlich den Weg frei gemacht? Dazu wusste der Ex-Premier, weil er „nicht involviert“ gewesen sei, nichts zu sagen. Das Problem hätten vielmehr die Investmentbanker und die Anwälte gelöst – wie, wisse er nicht. Teilnehmer der abendlichen Runde erinnern sich, dass der deutsche Morgan-Stanley-Chef Dirk Notheis in einem Nebenraum unter ziemlichem Druck mit Paris telefoniert habe, angeblich auch mit dem Élysée-Palast, also dem Amtssitz Sarkozys. Erst Ende März kann der Ausschuss den Banker und Mappus-Freund dazu befragen. Dann wird seine Vernehmung als Zeuge nachgeholt, die am vorigen Freitag aus Zeitgründen vertagt worden war.

Notheis müsste eigentlich wissen, warum sich die Regierung in Paris kurz vorm Ziel querlegte. Es passt nicht so ganz zur Version von Mappus, wonach die EdF – nachdem sie bei der EnBW keine Mehrheit erlangen konnte – wild zum Ausstieg entschlossen war. Das sei ihm erstmals im April 2010 klar geworden, als der EdF-Deutschland-Chef Gérard Roth ein Vieraugengespräch mit Staatsminister Helmut Rau führte. Ohne die Mehrheit, referierte er dessen Botschaft, würden die Franzosen das Interesse an der Beteiligung verlieren. Roth habe sogar ein Lockangebot gemacht: Wenn Mappus wohlwollend reagiere, würden sich bei seinem geplanten Paris-Besuch „Türen öffnen, die sonst verschlossen blieben“. Dem Vernehmen nach ging es um einen gemeinsamen Auftritt mit Sarkozy, der dem Jungpremier im Vorwahlkampf schöne Bilder beschert hätte. Die Reise wurde später aus „terminlichen Gründen“ verschoben; welche das waren, blieb offen.

EdF plante für gemeinsame Zukunft

Das „offensive Vorgehen“ Roths, sagte Mappus, habe er „recht ungewöhnlich“ gefunden. Das wäre es in der Tat – wenn die Schilderung zutrifft. Monate später allerdings erlebten Spitzenpolitiker der Südwest-Grünen den gleichen EdF-Manager ganz anders. Da trafen sie ihn in Stuttgart zu einem Gespräch über die (gemeinsame) Zukunft der EnBW. Vom Ausstieg der Franzosen soll damals, kurz vor Mappus’ Coup, noch keine Rede gewesen sein; sonst wäre die Unterredung auch ziemlich überflüssig gewesen. Später signalisierte Roth seinen Gesprächspartnern entschuldigend, er sei selbst von der Entwicklung im Konzern überrascht worden.

Tatsächlich gab es EdF-intern konkrete Überlegungen, die Zusammenarbeit auch ohne Mehrheit auf eine neue Basis zu stellen. Mit einer „industriellen Partnerschaft“ sollten bisher nicht ausgeschöpfte Synergieeffekte genutzt werden. So war etwa angedacht, den Einkauf von EnBW und EdF zusammenzulegen – um mit geballter Macht am Markt bessere Konditionen zu bekommen. Auch das hätte indes mehr Einfluss für die Franzosen bedeutet. Statt des vollständigen Rückzugs aus Deutschland stand zudem ein Teilverkauf zur Debatte: Statt 45 Prozent der Aktien, so die Überlegung, sollte EdF nur noch etwa 25 Prozent behalten. Näheres könnte wohl Gérard Roth dem Ausschuss berichten, wenn er – wie andere EdF-Leute – als Zeuge zur Verfügung stünde. Doch damit wird angesichts des auch durch die Schiedsklage des Landes belasteten Verhältnisses derzeit eher nicht gerechnet.

Merkel erst kurzfristig eingeweiht

Für die Franzosen ist längst das eingetreten, was sie unbedingt vermeiden wollten: in eine politische Auseinandersetzung in Deutschland hineingezogen zu werden. Solche Bedenken, hört man aus EdF-nahen Kreisen, seien im Gespräch durchaus thematisiert worden. Doch Mappus’ habe Proglio beruhigt, der Deal werde „geräuschlos“ über die Bühne gehen.

Während die Rolle von Nicolas Sarkozy noch der Aufklärung harrt, ist die der deutschen Regierungschefin klar: sie hatte keine. Immerhin wurde Angela Merkel von Mappus vorab eingeweiht. „Nichts zum Zeitpunkt sagen“, hatten ihm seine PR-Berater für den Fall von Nachfragen aufgeschrieben. Doch die Kanzlerin selbst ließ ihr Presseamt ausplaudern, dass sie von dem Schwabenpremier erst auf den letzten Drücker informiert wurde – „kurz bevor er an die Öffentlichkeit gegangen ist“.