Die EnBW braucht Geld für die Energiewende. Ihr Chef Hans-Peter Villis versucht aus diesem Grund neue Investitionsspielräume auszuloten.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Für Hans-Peter Villis, den Vorstandsvorsitzenden der EnBW, liegt auf der Hand, dass die energiepolitische Zukunft in Deutschland eigentlich schon begonnen hat, bevor der Bundestag den Atomausstieg endgültig beschlossen hatte. Damit wollte Villis bei einem Pressegespräch zur Energiepolitik in Berlin nicht nur sanft darauf hinweisen, dass auch die Nummer drei unter den Energieversorgungsunternehmen in Deutschland schon begonnen hat, sich neu zu positionieren. "Wir wussten, dass wir zwei große nukleare Produktionseinheiten verlieren werden, und haben ersatzweise unter anderem den Neubau des Wasserkraftwerks in Rheinfelden und von Offshore-Windparks auf den Weg gebracht. Wir werden das Unternehmen neu aufstellen, aber das wird seine Zeit dauern."

 

Und es wird dem traditionell atomlastigen Stromversorger im Südwesten jede Menge Investitionen in alternative Energietechnologien abverlangen. Die Mittel dafür aufzubringen, ist für den Karlsruher Konzern angesichts ausstiegsbedingt sinkender Erträge schwieriger geworden. Villis verweist auf die kürzeren Laufzeiten für seine Atommeiler, auf die Belastungen durch die Kernbrennstoffsteuer und die Notwendigkeit für wachsende Rückstellungen. "Wir erwarten 25 bis 30 Prozent Ergebniseinbußen", sagt er. "Das schränkt unsere Investitionsfähigkeit ein."

Im Süden wurde sehr stark in Fotovoltaik investiert

Die Lücke zwischen Investitionsspielraum und Innovationsdruck animiert den EnBW-Vorstandschef sogar zu ungewohnten Gedankenspielen. "Warum sollen wir nicht perspektivisch über eine Kapitalerhöhung nachdenken?", fragt er sich in Berlin. "Brauchen das Land und die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) tatsächlich dauerhaft 92 Prozent der Anteile?" Er selbst, das macht sein Tonlage deutlich, beantwortet die Frage mit Nein. Wahrscheinlich hat Hans-Peter Villis dabei im Blick, dass wegen der sinkenden Erträge die Bonität seines Unternehmens zu leiden droht. "Wir wollen die Single-A-Note bei den Ratingagenturen behalten, weil wir den Kapitalmarkt für unsere Investitionsvorhaben brauchen", betont der EnBW-Chef.

Auch in technischer Hinsicht hat der Beginn der Energiewende, der Stromversorgung in Deutschland schon jetzt andere, schwierigere Bedingungen aufgezwungen. Das gilt nach den Worten von Chef Villis vor allem für die Stabilität der Netze. Weil im Süden Deutschlands sehr stark in Fotovoltaik investiert worden ist, und die eingespeisten Sonnenstrommengen stark schwanken, "wird es immer aufwendiger und auch zunehmend schwieriger, die Netzstabilität zu gewährleisten", sagt der EnBW-Chef.

Villis rechnet vermehrt mit Markteingriffen im Netz

Villis rechnet damit, dass es in der Zeit von Oktober bis Dezember vermehrt zu Markteingriffen im Netz kommen muss. "Dann werden Netzbetreiber aus netztechnischen Gründen vielleicht auch entscheiden müssen, welche Kraftwerke ausgeschaltet werden müssen, und ob Ortschaften oder Produktionsstätten vom Netz gehen müssen."

Dabei geht es nicht um kleine Neujustierungen. Nach Villis' Worten ist schon jetzt "ordentlich was los im Netz". Verantwortlich dafür ist das Moratorium nach dem Reaktorunglück von Fukushima, das dazu führte, dass sieben Altmeiler älterer Bauart vom Netz genommen wurden. Im laufenden Jahr "haben die Betreiber bereits rund 900-mal wegen der Stabilität ins Netz eingegriffen", sagt Hans-Peter Villis in Berlin. "Im vergangenen Jahr waren es insgesamt nur zwei- oder dreimal."