Während immer mehr Kernkraftwerke stillstehen, laufen so viele Kohlemeiler wie seit Jahren nicht mehr. Auch die EnBW setzt auf Kohle, die unter anderem von Zulieferfirmen in Kolumbien abgebaut wird. Für diese Kohleimporte hagelt es nun Kritik.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Antwort des Umweltministers war unmissverständlich. Ob es eine Grünen-geführte Landesregierung kalt lassen könne, wenn der landeseigene Energiekonzern Kohle verfeuere, die weit weg von Deutschland unter fragwürdigen ökologischen und sozialen Bedingungen abgebaut werde? Das könne weder die Regierung noch die EnBW kalt lassen, beteuerte Franz Untersteller jüngst vor Journalisten, und das tue es auch nicht. Er habe dieser Tage mit dem Vorstandschef Frank Mastiaux darüber gesprochen und den Eindruck gewonnen, dass das Unternehmen „gewillt ist, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen“.

 

Zuvor war Untersteller seinerseits ermahnt worden, den Druck auf die EnBW zu erhöhen. „Ein Energieversorger, der von einer grün-roten Landesregierung kontrolliert wird, sollte deutlich konsequenter voranschreiten, wenn es um Menschenrechte und Umweltstandards geht“ – so wurde es der Koalition von Kritikern des Kohleimports ins Stammbuch geschrieben. Mit dem Land und den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW) habe der Konzern fast nur öffentliche Träger, rügten diese, doch seine Steinkohlebeschaffung sei „genauso unverantwortlich wie die der anderen Energieversorger“.

Die Zitate stammen aus einem Dossier über die Herkunft der in deutschen Kraftwerken verbrannten Kohle (Titel: „Bitter Coal“), das die Umweltorganisationen Fian (Food First Informations- und Aktionsnetzwerk) und Urgewald im April vorgelegt haben. Es diente als Auftakt für eine Kampagne, die die Aktivisten mit Auftritten bei den Hauptversammlungen der großen Versorger fortsetzten – so unlängst auch bei der EnBW in Karlsruhe. Mehrere Vertreterinnen von ihnen schilderten dort, wie Menschen und Umwelt etwa in Südafrika oder Kolumbien unter dem Kohleabbau litten und wie rücksichtslos, teils sogar kriminell die Abbauunternehmen vor Ort agierten. Auch wenn sich dies auf anderen Kontinenten abspiele, so ihre Botschaft, dürfe man davor nicht die Augen verschließen.

Kolumbien im Fokus

Die Diskussion trifft mitten in eine Zeit, in der die Steinkohle wegen des Atomausstiegs ein unverhofftes Comeback erlebt. Während immer mehr Kernkraftwerke stillstehen, laufen so viele Kohlemeiler wie seit Jahrzehnten nicht mehr – was nicht nur fürs Klima höchst kontraproduktiv ist. Angesichts des nahenden Endes der deutschen Steinkohleförderung kann der wachsende deutsche Kohlehunger nur durch Importe gestillt werden – und verschärft damit die Probleme in den Abbaugebieten. Alleine die EnBW importierte im vergangenen Jahr 4,6 Millionen Tonnen, und zwar aus Russland (30 Prozent), den USA (24 Prozent), Kolumbien (23 Prozent) und Südafrika (12 Prozent). Nur 440 000 Tonnen, weniger als ein Zehntel, kamen aus deutscher Produktion.

Besonders im Fokus haben die Kritiker-Organisationen Kolumbien, das in den vergangenen Jahren zum fünftgrößten Kohleexporteur der Welt aufstieg. Die massive Ausweitung des Abbaus, der ganz in ausländischer Hand sei, habe dort gravierende Folgen: die Milliardengewinne flössen aus dem Land ab, zurück blieben „Mondlandschaften, ausgetrocknete Flüsse und zerstörte Lebensgrundlagen“. Am zwielichtigsten agiert dem Dossier zufolge der US-Konzern Drummond, der buchstäblich „über Leichen“ gehe. Gemeint ist die Jahre zurückliegende Ermordung zweier Gewerkschaftsführer, für die ein Subunternehmer von Drummond jüngst zu 38 Jahren Haft verurteilt worden sei. Weitere Ermittlungen liefen deswegen auf Geheiß des Gerichts gegen aktive und ehemalige Führungskräfte. In zwei Zivilklagen in den USA werde dem Unternehmen zudem vorgeworfen, bis 2006 eine paramilitärische Einheit aufgebaut und finanziert zu haben, auf deren Konto hundertfache Morde und tausendfache Vertreibung gingen. Drummond indes weise jede Schuld von sich.

Auch die EnBW bezieht Kohle von der umstrittenen Firma – allerdings nicht direkt, sondern „ausschließlich über Zwischenhändler“, wie betont wird. Seit zwei Jahren sehen sich die Karlsruher daher mit bohrenden Fragen von Aktivisten und Abgeordneten konfrontiert. Stets beteuern sie, man nehme die Kritik „sehr ernst“ und sei sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung wohl bewusst. Auch von Geschäftspartnern erwarte man, dass sie in puncto Menschenrechte, Arbeitssicherheit, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung internationale Standards erfüllten; dies werde bei Vor-Ort-Besuchen kontrolliert. Zu Drummond selbst aber blieben die Auskünfte vage: Man stehe mit Unternehmensvertretern „im Dialog“, prüfe die Vorwürfe und beobachte den Prozess in den USA, hieß es regelmäßig, doch die Gesamtlage sei „sehr unübersichtlich“. Vorrang habe generell nicht der Abbruch von Geschäftsbeziehungen, sondern „die gemeinsame Suche nach Auswegen aus komplexen Situationen“.

„Der Wille fehlt“

Für die Experten von Fian und Urgewald zeigt sich daran, dass bei EnBW „trotz guter Ansätze der Wille zu konkreten Maßnahmen fehlt”. Lobend heben sie hervor, dass die Karlsruher hinsichtlich ihrer Kohlequellen „generell auskunftsfreudiger als die anderen Stromversorger“ seien. Doch im Fall Drummond habe man den Eindruck, „dass EnBW ewig diskutiert, aber niemals handelt“. Immer noch werde die Situation bei dem US-Konzern nur „analysiert“, dabei sei es „allerhöchste Zeit“, den Geschäftskontakt zu beenden.

Angesprochen sind neben Grün-Rot auch die überwiegend schwarzen OEW-Landräte. Die reagierten bei der Hauptversammlung auf ihre Weise auf den Auftritt der Südafrikanerin Siziwe Khanyile, die auf Englisch die verheerenden Folgen des Kohleabbaus in ihrer Heimat schilderte. Als die Übersetzerin berichtete, Khanyile habe eigens die 8000 Kilometer weite Flugreise auf sich genommen, ertönte ein skeptischer Zwischenruf aus den OEW-Reihen: „Und wer hat des g’zahlt?“