Seit fast zwanzig Jahren wird um ein Denkmal zur Erinnerung an die Deutsche Einheit gestritten. In Berlin soll es jetzt gegen den Willen der Haushälter doch noch kommen – und der Jubel bei Milla & Partner, dem Stuttgarter Gestalterbüro, ist groß.

Stuttgart/Berlin - Es war Bundestagspräsident Norbert Lammert, der im Februar die Wende eingeleitet hat. Vor der Bundesversammlung, die kurz danach Frank Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten wählte, riss ihm der Geduldsfaden. „Unserer beachtlichen Freiheits- und Demokratiegeschichte angemessen zu gedenken ist unverzichtbar für das Selbstverständnis unserer Nation“, sagte er vor dem Hohen Haus und fügte hinzu, dass dies der Bundestag übrigens längst beschlossen habe, „symbolträchtig an einem 9. November, vor inzwischen fast zehn Jahren“.

 

Das waren klare Worte des erbosten CDU-Granden, die jetzt tatsächlich Wirkung zeitigen: In der Nacht zum Donnerstag hat der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, dem unwürdigen Hin und Her um das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin ein Ende zu setzen. Das Plenum hob einen Beschluss des Haushaltsausschusses auf, der das Projekt wegen einer Kostensteigerung von zehn auf fünfzehn Millionen Euro gestoppt hatte. Nun steht der im Herzen der Hauptstadt geplanten „Einheitswaage“ des Stuttgarter Gestalterbüros Milla & Partner also nichts mehr im Wege. Wenn alles rund läuft, so der vor Optimismus strotzende Geschäftsführer Johannes Milla, könne das Denkmal am 9. November 2019, zum dreißigsten Jahrestag des Mauerfalls, eröffnet werden.

Partizipatives Denkmal – was ist das?

Die Erleichterung im Stuttgarter Heusteigviertel, wo das international renommierte Büro in einer alten Villa untergebracht ist, lässt sich mit Händen greifen. Noch vor einem Jahr war das Einheitsdenkmal politisch tot. Fledermäuse, Denkmalschutz, Kostensteigerungen ließen die vorm Berliner Schloss geplante Wippe, wie der Volksmund das Denkmal nennt, ins Aus-und-Vorbei kippen. Die von Lammert eingefädelte Frohbotschaft lässt die Stuttgarter Herzen aber nun wieder höher schlagen: „Nach einem Jahr der Ungewissheit sind wir froh, das seit zwei Jahren baureife Werk umsetzen zu können“, sagt Sebastian Letz, der Gestalter der Waage. „Das Denkmal ist partizipativ: Die Menschen und deren Verständigung stehen im Zentrum, nicht eine Figur oder ein Symbol.“

Partizipatives Denkmal: man kann sich kaum erinnern, so etwas je gesehen zu haben. Doch der kühne Entwurf von Milla & Partner, an dem anfänglich auch die Berliner Choreografin Sasha Waltz beteiligt war, überzeugt: Die fünfzig Meter breite Schale, auf der bis zu 1400 Flaneure Platz finden, lässt sich mithilfe eines Feder- und Dämpfungssystems kippen – aber nur, wenn sich mindestens zwanzig Menschen entschließen, gemeinsam in eine Richtung zu gehen. „Bürger in Bewegung“ ist das Motto der Waage, die auch eine Inschrift trägt: „Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk“ steht auf ihrem Sockel, also die Doppel-Parole, die 1989 den Mauerfall und 1990 die deutsche Wiedervereinigung begleitet hat.

„Dass es den Menschen in der DDR gelungen ist, friedlich eine Diktatur zu stürzen, ist ein unglaubliches Glück“, sagt Johannes Milla: „Wir haben inzwischen genug Revolutionen scheitern sehen, zuletzt beim Arabischen Frühling. Das macht noch deutlicher, welche Sternstunde die Deutschen hier erlebt haben.“ Stimmt: Man muss an diesen einzigartigen historischen Augenblick erinnern, je sinnlicher, desto besser. Gut also, dass die Hauptstadt eine Waage für das Gewicht des Volks erhält – und schön, dass sie aus Stuttgart kommt.