Nur in Baden gab es für die Stuttgart-21-Gegner bei der Volksabstimmung auch Mehrheiten, diese Bahn-Skepsis hat hier historische Wurzeln.

Stuttgart - Die wahre Trutzburg der Stuttgart-21-Gegner ist die Universitätsstadt Freiburg. In der Hochburg der Grünen - sie stellen dort auch den Oberbürgermeister und zwei direkt gewählte Landtagsabgeordnete - votierten 66,5 Prozent der Abstimmenden gegen den Tiefbahnhof, die Beteiligung lag mit 44,6 Prozent noch höher als bei der Abstimmung gegen den Verkauf der städtischen Wohnungen (39 Prozent) im Herbst 2006.

 

Doch nicht nur in der südbadischen Hauptstadt, sondern auch in den umliegenden Kreisen Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach gab es Mehrheiten für den Ausstieg, am deutlichsten überall dort, wo die Bahnstrecken verlaufen. Dort zeuge die mehrheitliche Ablehnung von "einem hohen und begründeten Misstrauen gegenüber den Kostenrechnungen der Bahn", vermutet Roland Diehl, Sprecher der Interessengemeinschaft Bahn am Oberrhein (IG Bohr).

Die Bürgerinitiativen begleiten den geplanten Bau von zwei zusätzlichen Gleisen für den Güterverkehr am Oberrhein zwischen Offenburg und Basel kritisch und haben sich offiziell nicht für oder gegen Stuttgart 21 in Stellung gebracht. "Wir sind überparteilich, es gibt unterschiedliche Auffassungen", sagt Diehl. Er akzeptiert "in guter demokratischer Manier" das Votum der Volksabstimmung.

Furcht, in Südbaden zu kurz zu kommen

Aber er macht auch deutlich, dass die Auseinandersetzung um den Punkt noch nicht zu Ende ist, der am Oberrhein am sensibelsten beachtet wird: "Ich erwarte", betont Diehl, "dass die Landesregierung ein klares Zeichen setzt und ihren Finanzierungsbeitrag deckelt." Wenn die Kosten für Stuttgart 21 aus dem Ruder laufen sollten, müsse ausgeschlossen werden, dass "sich das Land daran beteiligt". Damit die von der schwarz-gelben Vorgängerregierung zugesagte finanzielle Beteiligung etwa am Lärmschutz im Rheintal nicht ausbleibt.

Die Furcht, in Südbaden zu kurz zu kommen, hat auch bei der Abstimmung gewirkt. Auch wenn sich der zweite exponierte Bahn-Kritiker, der zweite Sprecher der IG Bohr, Adalbert Häge, am Ende doch in die CDU-SPD-Koalition der S-21-Befürworter um seinen ehemaligen Chef, den Freiburger Alt-Oberbürgermeister Rolf Böhme (SPD) eingereiht hat.

Weil das, was die grün-rote Landesregierung "Lug und Trug und Volksverdummung" gewesen sei, poltert Häge auch nach der für den Tiefbahnhof landesweit erfolgreichen Abstimmung. Das Ergebnis in Freiburg sei "ein Armutszeugnis", die Bevölkerung habe sich von der "Propaganda" der Regierung einlullen lassen, die ein rechtswidriges Gesetz im Parlament bewusst habe scheitern lassen. Es sei "eine Schande", schimpft Häge, dass die Regierung dann die Volksabstimmung darüber zur "Krone der Demokratie" erklärt habe.

Ablehnung in Mannheim und Heidelberg

Während die S-21-Gegner vorwiegend dort zu finden sind, wo längs der Rheintalbahn Erfahrungen mit dem Auftreten der Chefs und Repräsentanten der Deutschen Bahn AG gesammelt wurden, schwindet die Ablehnung des Stuttgarter Projektes mit jedem Kilometer abseits der künftigen Trasse, in Richtung Norden und nach Osten in den Schwarzwald und auf die Baar. Selbst der Ortenaukreis, wo die Bahnlinie etliche Gemeinden tangiert oder auch teilt, hat mit 56 Prozent Neinstimmen der Bahn freie Fahrt in Stuttgart gegeben - mit Ausnahme der Offenburger, die zu 54 Prozent Ja zum Ausstieg sagten.

Hinter Offenburg liegt eine lange Zeit des Kampfes gegen den "Bahngraben" mitten durch die Kernstadt. Stattdessen will man eine Untertunnelung. Wenig verwunderlich sind die Ergebnisse in den Ortenauer Land- und Schwarzwaldgemeinden, sowie im Schwarzwald-Baar-Kreis, dort hat die CDU ihre Hochburgen, und die Abstimmung war eine gute Gelegenheit, sich für den unerwarteten Regierungswechsel im Frühjahr zu revanchieren.

Die Mannheimer haben schon vor einiger Zeit bei einer Umfrage mehrheitlich ihre Ablehnung von Stuttgart 21 bekundet. So haben sie nun auch abgestimmt. Auch in Heidelberg hat es eine klare Mehrheit gegen S 21 gegeben. Dass die kurpfälzischen Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) und Eckart Würzner (parteilos) sich für das Vorhaben ausgesprochen haben, hat die Mehrheit der Bürger nicht beeindruckt.

Nichts geht voran

In Mannheim haben viele längst das Gefühl verinnerlicht, dass sie im Vergleich zur deutlich größeren Landeshauptstadt gern benachteiligt werden. Das S-21-Projekt eignet sich hervorragend, um solche Gefühle weiter zu befördern. In Mannheim wartet man seit Jahren auf eine Ertüchtigung des eigenen Hauptbahnhofs, auf den Neubau der ICE-Trasse nach Frankfurt und Verbesserungen für die S-Bahn.

Doch nichts geht voran. Der Mannheimer OB Kurz zeigte sich daher nicht überrascht vom Abstimmungsergebnis: Entscheidend sei wohl das Gefühl gewesen, "dass S 21 enorme Ressourcen bindet und Mannheim leer ausgeht", erklärte er.

In Heidelberg haben die Wähler erneut ihre Skepsis gegen Großprojekte zum Ausdruck gebracht. In der Stadt hat man in den letzten Jahren mit viel Aufwand die Planungen für zwei Tunnels gestartet; die CDU hatte sich zeitweise sogar für eine unterirdische Querung des Neckars starkgemacht. Alle Vorhaben sind bisher an den widerstrebenden Interessen der Parteien gescheitert. Doch wenn man schon in der eigenen Stadt den Sinn solcher Investitionen bezweifelt, wieso sollte man sie dann anderswo gutheißen? Zumindest die Mehrheit der politisch engagierten Heidelberger ist sich da einig.