Die Stadt wehrt sich entschieden gegen den Vorwurf, in der Bauverwaltung nicht effektiv zu agieren. Doch nach Zahlen des Immobilienverbands Deutschland (IVD) hinkt die Landeshauptstadt der Region hinterher.

Stuttgart - Der akute Wohnungsmangel und die dadurch stetig steigenden Wohnkosten könnten durch ausreichend Neubauten zumindest abgemildert werden. Diese Meinung vertreten zahlreiche Experten. Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn (Grüne) hat eine Zielvorgabe – 1800 neu geschaffene Wohnungen pro Jahr – ausgegeben. Doch nach Zahlen des Immobilienverbands Deutschland (IVD) hinkt die Landeshauptstadt der Region hinterher.

 

Nach Angaben des IVD-Instituts wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2013 insgesamt 33 136 Baugenehmigungen erteilt (ein Plus von 4,7 Prozent zu 2012), zudem wurden 28 872 Wohneinheiten fertiggestellt (minus 3,8 Prozent zu 2012). Während der Landkreis Böblingen mit 1845 Genehmigungen die Rangliste anführt, wurden in Stuttgart lediglich 1409 gezählt. Bezogen auf die Einwohnerzahl schneidet die Landeshauptstadt besonders schlecht ab. Böblingen kommt auf 5,0 Baugenehmigungen je 1000 Einwohner, Stuttgart lediglich auf einen Wert von 2,3. Dabei bedeutet der Gesamtwert aus dem Jahr 2013 für Stuttgart bereits ein Plus von 7,1 Prozent im Vergleich zu 2012. Auch bei den Fertigstellungen führt Böblingen die Landesliste mit 1810 an – ein Wert von 4,9 je 1000 Einwohner. Stuttgart kommt lauf IVD auf 1292 fertiggestellte Wohnungen, was ein Minus zu 2012 von 19,4 Prozent und einen Wert je 1000 Einwohner von 2,1 bedeutet.

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Brenner: zu lange Entscheidungswege

Als Grund nennt Peter Brenner, der Vorstandsvorsitzende des Vereins Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS), neben der kleinen Markungsfläche und fehlenden Flächen auch den Ruf, den die Landeshauptstadt bei Investoren genießt: „Stuttgart wird als Bremser wahrgenommen“, sagt er. Es gebe zu lange Entscheidungswege, zudem seien Berechenbarkeit und Verlässlichkeit nicht in ausreichendem Maß vorhanden, so Brenner. „Es wird mehr Beweglichkeit von der Bauverwaltung erwartet.“ Und: „Den Ämtern fehlt das Personal.“

Genau wie das der Haus-und Grundbesitzerverein in der Vergangenheit bereits getan hat, spricht sich der IWS für höhere Gebühren beim Baurechtsamt aus. „Wir sind uns fast sicher, dass Investoren auch verträglich höhere Baugenehmigungsgebühren akzeptieren könnten, wenn schnellere Abläufe und mehr Beweglichkeit gegeben wären“, sagt der Vorstandsvorsitzende.

Kritik an OB Kuhn

Über die bisherige Amtszeit von Fritz Kuhn, der das Thema Wohnen mehrfach zur Chefsache erklärt hat, urteilt Brenner, man habe den Eindruck, „dass der OB vieles zur Chefsache erklärt und dadurch die Abläufe noch länger dauern.“ Der IWS hofft jedoch mit Blick auf das angekündigte Bündnis für Wohnen auf eine effektive Zusammenarbeit: „Es wird sich zeigen, ob sich der Dialog mit unserer Branche in Vorlagen für Gemeinderatsentscheidungen niederschlägt.“

Die Stadt wehrt sich entschieden gegen die Kritik, in der Bauverwaltung nicht effektiv zu agieren: „Die Zahl der genehmigten Wohnungen ist durch eine Beschleunigung der Bearbeitung im Baurechtsamt nicht steigerbar“, erklärt die Amtsleiterin Kirsten Rickes. Mehr Genehmigungen könne es nur durch mehr eingereichte Anträge geben, sagt sie. Doch das habe man nicht selbst in der Hand.

Und: wenn die Arbeit des Amtes beurteilt wird, müsse der Aufwand berücksichtigt werden, der hinter unterschiedlichen Anträgen steht. „Das kann von der Genehmigung einer Garage bis hin zum Einkaufszentrum oder Motorenwerk gehen“, so Rickes. Maßgeblich für die Zahl der bearbeitenden Anträge sei daher das Bauvolumen, welches in Stuttgart in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 1,2 und 1,9 Milliarden Euro lag, so die Amtsleiterin. „Im laufenden Jahr wurde bereits ein Bauvolumen von etwa einer Milliarde Euro genehmigt“, erklärt Rickes.

Durchschnittliche Laufzeit der Anträge hat sich reduziert

Den Unterschied zwischen Stuttgart und kleineren Gemeinden im Umland erklärt Rickes also mit „der anderen Struktur des Baugeschehens in derartigen Großstädten“, und fügt hinzu: die durchschnittliche Laufzeit der Anträge habe sich von 82 Tagen im Jahr 2011 auf 69 Tage reduziert.

Zudem zeigten verschiedene Analysen, dass das Stuttgarter Baurechtsamt bezogen auf die Anzahl der Antragsverfahren je Sachbearbeiter an der Spitze der untersuchten Großstädte liegt, erklärt Amtsleiterin Kirsten Rickes.

Auch der Leiter des Statistischen Amts verteidigt die Leistung der Verwaltung: „Bei der Darstellung der Baufertigstellungszahlen pro Einwohner im Vergleich der Kreise ist ein Stadtkreis wie Stuttgart mit wenig Bauland und einer hohen Einwohnerzahl immer im Nachteil“, erklärt Thomas Schwarz mit Blick auf die Zahlen des IVD. Außerdem sei die Betrachtung eines Jahres lediglich eine Momentaufnahme.