Bessere Lebensqualität, stärkere Wirtschaft: 690 Millionen Euro will die Stadt Stuttgart investieren. Für den Gemeinderat scheint es kaum mehr Spielraum zu geben – aber die Vergangenheit lehrt etwas anderes.

Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) und Kämmerer Michael Föll (CDU) sind nach eigenen Aussaggen mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 „an die Grenze des Vertretbaren“ gegangen. Die Botschaft für den Gemeinderat: Sollte er sich in den drei Lesungen bis zur Etatverabschiedung am 15. Dezember mit vielen Anträgen ein Wettrennen um die besten Zusatzwünsche leisten, „kippt der Entwurf über die Grenze ins nicht Vertretbare“, so Kuhn. Bisher sind für die Haushalte 2018 und 2019 geringe positive Ergebnisse prognostiziert (36,9 beziehungsweise 1,0 Millionen Euro) sowie eine Kreditaufnahme von 61,8 Millionen Euro im übernächsten Jahr und von 57,5 Millionen Euro im Jahr 2020.

 

Die Rathausspitze sieht jetzt nur noch wenig Gestaltungsspielraum. Das sei die Konsequenz aus den Forderungen der Fraktionen, die Verwaltung müsse mehr Stellen schaffen, um den Service zu verbessern und die Infrastruktur besser zu pflegen. Das Gesamtvolumen liegt nun rund 200 Millionen Euro über der Langfristprognose von vor zwei Jahren. Anlass für die Kritik einer zu sparsamen Haushaltsführung war das Jahresergebnis von 2016, das mit einem Plus von 231 Millionen Euro 100 mal höher ausgefallen war als veranschlagt. Kämmerer Föll sagt, er stehe zu 100 Prozent hinter dem Entwurf, der nun aber nicht (mehr) „mit kaufmännischer Vorsicht, sondern mit kaufmännischer Zuversicht“ gefertigt worden sei.

Für Investitionen will man Schulden aufnehmen

Er wies darauf hin, dass er die Ertragsprognose um 266 Millionen Euro erhöht habe, diese aber trotz unterstellter positiver wirtschaftlicher Entwicklung hinter den Aufwendungen zurückbleibe. Das Finanzpolster von 2016 sei bereits in zwei Jahren aufgezehrt, für die neuen Investitionen seien 230 Millionen Euro aus Rücklagen und 119,3 Millionen Euro durch Kredite nötig. Noch positiver hätte man die Einnahmen nun wirklich nicht prognostizieren können. Der Anteil der Gewerbesteuer stimme ihn nachdenklich, sie sank seit 2010 von 22,3 auf 17,3 Prozent.

Von noch besseren Zahlen auszugehen, wäre blauäugig, so Föll. Er bezeichnete die Ergebnishaushalte mit ihren geringen Überschüssen als strukturell unterfinanziert und mahnt „eine vorausschauende und solide Finanzpolitik“ an. Er verweist auf Risiken bei der Entwicklung der Wirtschaft, auf Kürzungen von Landesmitteln, steigende Sozialleistungen und Personalkosten sowie hinter den Erwartungen zurückbleibende Ausschüttungen bei der Landesbank LBBW.

Föll erwähnte auch die im Sommer kontrovers diskutierten und vertagten Sparvorschläge von 26 Millionen Euro pro Jahr. Die Verwaltung hat ihre Maßnahmen bereits in den Entwurf gepackt, sowie sieben von 12 Millionen Euro, die der Gemeinderat abgesegnet hat. Über den Rest müsse man sich in den Beratungen verständigen. Einige Fraktionschefs haben bereits Widerstand angekündigt.

500 neue Personalstellen geplant

OB Kuhn geht davon aus, in seinem Maßnahmenprogramm die Lebensqualität für die Bürger und die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern zu können. Dafür werden bis 2022 rund 690 Millionen Euro ausgegeben, auf den Doppelhaushalt entfallen 346 Millionen Euro. Die Schwerpunkte liegen laut Kuhn in den Bereichen Bildung, Betreuung, Inklusion, Wohnen, Mobilität, grüne Infrastruktur sowie Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt (die StZ berichtete). Neben der Bereitstellung von Finanzmitteln wird das Personal um etwa 500 Stellen aufgestockt, davon allein 100 beim Abfallwirtschaftsbetrieb, damit Stuttgart sauberer wird.

Dickste Brocken sind der Theaterhaus-Anbau (39,8 Millionen Euro), der Ausbau des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums (44 Millionen), das Sporthallenbad (30,2 Millionen) und die neue Schule im Neckarpark (37,3 Millionen). Die Sanierung des Kultur- und Kongresszentrums Liederhalle wird auf 24,5 Millionen Euro veranschlagt. Unberücksichtigt lässt die Verwaltung ein neues Dach über der Gegentribüne des Gazi-Stadions. Dies sei regionalligatauglich, es gebe keine Kapazitätsprobleme, so Föll. Dies sei aber keine Entscheidung gegen die „Blauen“, betont Kuhn.

Für die VVS-Tarifreform mit der Zusammenlegung der beiden Innenstadtzonen sind von 2019 an jährlich neun Millionen Euro aufzubringen. Beim Kitaausbau sind 418 zusätzliche Plätze für 0- bis 3-Jährige und 850 Ganztagesplätze für 3-6-jährige Kinder vorgesehen. Dafür sind 41 Millionen Euro reserviert. Das Schulsanierungsprogramm wird von 485 auf 565 Millionen Euro erhöht, die Jahresraten werden aber von 50 auf 40 Millionen Euro gesenkt, da nicht mehr Geld verbaut werden könne. Um die Ziele zu erreichen, bekommt das Hochbauamt 19 zusätzliche Stellen. Die Personalkosten werden mit 662 Millionen Euro im Jahr 2018 um 57 Millionen Euro höher liegen als 2016.