Drei junge Wanderfalken wachsen in der Steilwand des ehemaligen Steinbruchs in Weiler zum Stein heran. Der Nabu hat die Vögel nun mit einem Ring versehen, sodass sie künftig problemlos identifiziert werden können.

Leutenbach - Etwas zerzaust sehen sie aus, die Geschwister, die da zusammengekauert und mucksmäuschenstill in Michael Froschs Rucksack sitzen und zittern. Der Biologe hat die Drei eben mit Wolf Hecker aus ihrem Zuhause mit Panaromablick, einer 20 Meter hohen Steilwand, geholt. Die Männer tragen Helme und Klettergurte, an denen Karabiner baumeln. Rund zehn Meter haben sich die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AWG) des Nabu über eine steile Böschung abgeseilt, um an den Nistplatz der Wanderfalken zu kommen, der sich im ehemaligen Steinbruch in Weiler zum Stein befindet.

 

Die Falken tragen noch den weißen Kinderflaum

Oberhalb der Felswand stehen Heinz Bechtle und Jürgen Becht bereit – mit Zangen, einer Federwaage, einer Baumwolltasche, Papier, Lineal und Bleistift. Utensilien, welche sie benötigen, um dem Wanderfalkennachwuchs eine unverwechselbare Identität in Form eines Rings zu verpassen. „Das bedeutet Stress für die Falken, aber großen Schaden hat noch keiner genommen“, versichert Jürgen Becht. Dann greift er vorsichtig in den Rucksack und befördert ein Junges ans Tageslicht. Auf dem Kopf und an den Beinen trägt der Falke, dessen Alter Becht auf ungefähr vier Wochen schätzt, noch den weißen Kinderflaum, am Rücken sprießen die ersten braunen Federn des Jugendkleids. Mit großen Augen schaut der Falke um sich und stößt einen Schrei aus: „jiick jiick“.

„Ja ja“, sagt Heinz Bechtle beruhigend, umgreift mit einer Hand geübt die Flügel, mit der anderen die Beinchen, die in imposanten Krallen enden, und sagt: „Das ist ja ein Riesenkaliber.“ „Höchste Eisenbahn, dass die beringt werden“, befindet auch Jürgen Becht. Mit der Zange biegt er ein Rot lackiertes Metallband auf, in das eine Nummer und der Name der Vogelwarte Radolfzell geprägt sind. Er schlingt es um das Bein, das der Vogel brav von sich streckt. Auch ans zweite Vogelbein kommt ein Ring. „Das ist der SOS-Ring“, sagt Becht. Wer genau hinschaut, kann die Telefonnummer des Vogelschutzzentrums in Mössingen entziffern – die Anlaufstelle, falls ein Tier verletzt gefunden wird.

Beringen darf nur, wer einen Kurs belegt hat, und wenn man Jürgen Becht beobachtet, wird schnell klar: für die Arbeit braucht es einen Zupacker mit Fingerspitzengefühl. Der Naturschützer drückt, zieht und bearbeitet den Ring geduldig. Und ist erst zufrieden, als ein leises Klicken erklingt – das Zeichen, dass alles richtig sitzt.

Ein Junges bringt 1000 Gramm auf die Waage

Danach setzt Heinz Bechtle den Vogel in die Baumwolltasche und hängt sie an eine Federwaage. Sie zeigt knapp 1000 Gramm. „Ein echter Brocken und ganz klar ein Weible“, sagt Bechtle – denn die seien stets größer und schwerer als Männchen. Jetzt legt Jürgen Becht das Lineal an, misst eine Flügellänge von 20,8 Zentimetern und trägt die Zahlen fein säuberlich in eine Liste ein, die später in der Vogelwarte Radolfzell aufbewahrt wird. Fertig. Wo immer die Falken aus Weiler zum Stein landen – ihr Geburtsort und das Datum sind bekannt.

Kandidat Nummer zwei muss Heinz Bechtle mit viel Geduld aus dem Rucksack schälen – der Vogel krallt sich am Stoff fest. Er bringt nur 700 Gramm auf die Waage und schimpft lauthals. „Ein Männle“, beschließen die Beringer unisono. Nummer drei ist 670 Gramm schwer und ebenfalls männlich. Kaum ist seine Identität erfasst, wandert er zu den Geschwistern in den Rucksack, den Michael Frosch schultert. Jetzt kommt der Abstieg an der Felswand. „Die Alten werden ein paar Minuten warten und dann zurückkommen“, tippt Jürgen Becht. Und noch eine Prognose wagt er: die, dass die Vogeleltern ihr schwergewichtiges Töchterchen vor den ersten Flugübungen ein paar Tage auf Diät setzen.

Gefährdeter Schnellflieger

Eigenschaften Der Wanderfalke (Falco peregrinus) ist etwas größer als eine Taube, Jungtiere haben ein braunes Federkleid, erwachsene Tiere sind schiefergrau. Der Wanderfalke jagt mit bis zu 200 Stundenkilometern fliegende Vögel, zum Beispiel Tauben und Stare, und brütet in Felswänden oder an hohen Gebäuden. Im Schnitt werden Falken um die zwölf Jahre alt, es sind aber bis zu 20 Jahre alte Falken entdeckt worden.