In den Sommerferien kommen Schüler und Berufstätige bei manchen geistigen Fertigkeiten aus der Übung. Das ändert sich zwar rasch wieder – aber leider geht auch der Erholungseffekt bald verloren. Was lässt sich dagegen tun?

Stuttgart - Gebräunte Haut, zufriedene Mienen und gute Laune – die meisten Urlauber verraten sich alleine durch ihre Ausstrahlung. Es war großartig, sie haben sich ausgezeichnet erholt, schwärmen die Heimkehrer. Nur wie lange sind wir in derart blendender Verfassung und gehen wir nach dem Urlaub wirklich fitter in den Alltag?

 

In jeder Arbeitspause, ob sie nun lang ist oder kurz, tanken wir auf. Müdigkeit und Erschöpfung lassen nach. Dies passiert meistens schon in den ersten zwei bis drei Tagen einer Reise, es sei denn, die Anreise war sehr anstrengend und mit Malheurs gespickt. Dann kann es schon mal länger dauern mit der Erholung. „Durch die Regeneration steigt die Konzentrationsfähigkeit und die geistige Leistungsfähigkeit“, berichtet der Urlaubsforscher Gerhard Blasche von der Medizinischen Universität Wien. 61 Krankenschwestern belegen das beispielsweise in einer Studie der britischen Universität Sheffield. Sie schnitten in Gedächtnistests umso besser ab, je länger sie freigehabt hatten. Sie waren aufmerksamer und konzentrierter.

Urlaubsforscherin Jessica de Bloom von der finnischen Universität Tampere bemerkte sogar, dass Urlauber nach ihrer Heimkehr kreativer sind. 46 Probanden hatten mehr Ideen als zuvor, was sie mit unterschiedlichen Gegenständen anfangen könnten. Mit einem Backstein und einer Zeitung könnte man beispielsweise ein Fenster einwerfen, beide als Briefbeschwerer nutzen oder ein Haus bauen. Allerdings fand eine unabhängige Jury diese Ideen nicht origineller als diejenigen vor dem Urlaub. Lediglich die Quantität stieg, nicht aber die Qualität, könnte man vereinfacht sagen. „Im Urlaub bekommt unser Gehirn neuen Input: Wir essen andere Dinge, hören eine andere Sprache, erleben eine andere Umgebung“, erklärt de Bloom. „Das regt die Kreativität an.“

Am ersten Arbeitstag ist man noch nicht voll belastbar

Ähnliches beobachtete Neurowissenschaftler David Strayer von der Universität des US-Bundesstaats Utah in Salt Lake City: Von 30 jungen Männern und 26 jungen Frauen schickte er rund die Hälfte für vier Tage in die Berge. Die anderen mussten am Computer weiterarbeiten. Die Ausflügler schnitten hinterher in Kreativitätstests um 50 Prozent besser ab, berichtet Strayer in der Online-Fachzeitschrift „Plos One“.

Aber die Auszeit hat auch eine Kehrseite. Wer zwei, drei Wochen nicht arbeiten geht, wird zunehmend weniger belastbar und stressanfälliger. „Man braucht nach der Rückkehr ein, zwei Tage, um sich wieder an die beruflichen Anforderungen zu gewöhnen“, mahnt Blasche. Einer seiner Diplomanden konnte das an 28 Kurpatienten beobachten. Verglichen mit 21 Vergleichspersonen reagierten sie nach der Kur unter Belastung viel gestresster. Ihr Herz schlug schneller, und sie atmeten flacher. Man mag einwenden: Kurpatienten seien kränklich und nicht mit Urlaubern zu vergleichen. Doch Blasche glaubt, dass es die Entwöhnung von der Arbeit auch bei Gesunden gibt.

Bestimmte geistige Fertigkeiten schrumpfen in den Sommerferien sogar. Schüler können nach den sechs Wochen schlechter rechnen und buchstabieren, hält der Sozialpsychologe Harris Cooper von der britischen Duke University fest. Er hatte sich 39 Studien zur Wirkung der Sommerpause auf Kinder angeschaut. Mit zunehmender Klassenstufe fällt der Abbau in den großen Ferien sogar noch drastischer aus. Cooper erklärt das Zurückfallen damit, dass die Schüler vor allem in Fertigkeiten nachlassen, die sie in ihrer Freizeit kaum trainieren. Wer übt sich schon am Strand im Kopfrechnen? Dagegen können sie beim Lesen ihr Niveau halten, weil sie im Hotel oder Campingwagen genauso, vielleicht sogar mehr als zu Hause schmökern. Mittlerweile hat der Leistungsabfall nach den großen Ferien, weil er gut belegt ist, sogar einen Namen: „Sommerlernlücke“.

Mit dem Stress verschlechtern sich Laune und Schlaf

Aber die Schüler holen mit dem Unterricht Woche für Woche wieder auf. Schließlich sind sie nach der Auszeit auch besonders erholt und geistig fit. Nur, wie lange können Menschen vom Urlaub zehren? Jeroen Nawijn, Tourismusforscher von der Universität Rotterdam, und de Bloom erkundigten sich bei 96 Wintersportlern. Alle waren nach dem Skilaufen in den Bergen erholt. Doch schon nach einer Woche am Arbeitsplatz fühlten sie sich wieder genauso wie vor ihrer Reise, berichten beide Autoren 2013. Vielleicht halten Sommerurlaube länger vor. Zumindest nimmt die Erholung mit steigenden Temperaturen zu, berichtet Blasche. Daher vielleicht der Ausspruch „Ab in die Sonne“ und die intuitive Vorliebe vieler Urlauber, gen Süden aufzubrechen. Dass die Erholung länger als eine Woche andauern kann, deutet Nawjins Befragung an 1530 Holländern an. Er kam auf immerhin acht Wochen Urlaubseffekt.

Der ärgste Feind für die Erholung ist jedoch Stress nach der Rückkehr. Lehrer, die nach dem Pfingst- oder Osterurlaub wieder vor ihrer Klasse stehen mussten, merkten schon nach wenigen Tagen nichts mehr von ihrer Auszeit, wenn das Unterrichten sie sehr in Anspruch nahm. Gerhard Blasche konnte an 53 Mitarbeitern eines Hardware-Herstellers aufklären, warum dies so ist: Mit dem Stress verschlechtern sich die Laune und der Schlaf. Beides könnte auch unmittelbar zusammenhängen: Denn wer schlecht schläft, ist dünnhäutiger. Übrigens schwinden die Kraftreserven ebenso schnell, wenn die eigene Familie stresst.

Auswege aus der Posturlaubsfalle gibt es nicht. Der allerschönste Urlaub verflüchtigt sich früher oder später. „Das ist ganz natürlich. Wir können ja auch nicht auf Vorrat schlafen“, beruhigt Blasche. Kleine Tricks können aber helfen, die Regeneration lange aufrechtzuerhalten. „Man kann es im Büro langsam angehen lassen und sich immer wieder kleine Pausen und Rückzugsmöglichkeiten gönnen“, rät der Psychologe. Und wer sich an die Reise erinnert und zum Beispiel mit Freunden Fotos anschaut, pflegt damit auch seinen Erholungseffekt – zumindest, wenn der Urlaub kein Reinfall war. Und noch etwas hilft ein wenig: Pläne für die nächste Reise schmieden. Dann macht sich Vorfreude breit, und die ist ja zumindest im Volksmund die schönste Freude.