Wie kann der Stuttgarter Fernsehturm, der Ende März aus Brandschutzgründen geschlossen wurde, sicherer werden? Die Gutachter schlagen Verbesserungen bei Entrauchung und Kabelisolierung vor.

Stuttgart - Der Südwestrundfunk (SWR) ist zuversichtlich, dass der Fernsehturm wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Nachdem Intendant Peter Boudgoust am Freitag das von seinem Haus in Auftrag gegebene Brandschutzgutachten an den Oberbürgermeister Fritz Kuhn übergeben hatte, vermeldete der SWR auf seiner Homepage, dass der Turm laut der Expertise „nach einigen Umbauarbeiten wieder für Besucher geöffnet werden“ könne. Der SWR habe bereits in der Vergangenheit alles Erdenkliche unternommen, um die Sicherheit der Besucher auf dem Turm zu gewährleisten, erklärte Boudgoust. Die Expertise zeige ein Maßnahmenbündel auf, „wie der Brandschutz nochmals verbessert werden kann“. Im Internet verkündete der SWR zudem, dass die von den Gutachtern vorgeschlagenen Lösungen „rund eine halbe Million Euro“ kosten würden. Der Sender sei „bereit, diese Maßnahmen auch umzusetzen“.

 

Ob der Oberbürgermeister, der am 27. März das Stuttgarter Wahrzeichen wegen mangelnder Fluchtwege im Brandfall hatte sperren lassen, diese Einschätzung teilen wird, ist offen. Er könne die Vorschläge „heute natürlich noch nicht kommentieren“, erklärte Kuhn in einem als „gemeinsame Presseerklärung der Landeshauptstadt Stuttgart und des Südwestrundfunks“ bezeichneten Schriftstück am Freitagnachmittag. Von der Zuversicht des SWR im Blick auf die Wiedereröffnung ist in diesem Papier aber ebenso wenig die Rede wie davon, dass der Sender bereit wäre, die Vorschläge umzusetzen. Stattdessen wird Kuhn mit den Worten zitiert, dass er das Gutachten nun von den städtischen Fachämtern prüfen lasse. Diese sollen bewerten, „ob die vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet sind und ausreichen, um den Anforderungen der Stadt an den Brandschutz zu genügen“. Kuhn bat um Verständnis dafür, dass angesichts der komplexen Sachverhalte diese Prüfung einige Zeit in Anspruch nehmen könne. Im Anschluss daran werde es ein Gespräch zwischen Stadt und SWR geben.

Vier Brandschutz-Vorschläge als geeignet beurteilt

Die Gutachter haben aus zwölf möglichen Vorschlägen zur Verbesserung des Brandschutzes vier ausgewählt, die sie als geeignet beurteilen, mehr Sicherheit zu schaffen. Diese Maßnahmen liegen aber ausschließlich im Bereich des technischen Brandschutzes – bauliche Veränderungen wie die Einhausung des Aufzugs finden sich nach derzeitigem Kenntnisstand in der Expertise nicht. Ob also wirkliche Fluchtwege geschaffen werden könnten, die abgesichert einen Abgang vom Turmkorb auf den Boden garantierten, ist ungewiss.

Im Einzelnen schlagen die Gutachter vor, die Dämmung der im Turmschaft verlaufenden Kabelstränge mittels eines speziellen Verfahrens zu verbessern: Bei der sogenannten Einblasdämmung werden lose Dämmstoffe in die Kabelkanäle geblasen, um die Kabel luftdicht zu umschließen und so deren Feuerfestigkeit zu optimieren. Zum Zweiten soll die Rauchableitung durch eine gezielte Steuerung der Entrauchungsanlage verbessert werden. Drittens empfehlen die Gutachter, die wegen ihrer Wärmeentwicklung als Brandlast geltenden Hochfrequenzkabel zu überwachen. Sollten die Kabel zu heiß werden, würden sie automatisch abgeschaltet. Und schließlich sollen auch etwaige Zündgefahren – dazu zählen etwa die Heizelemente in den Aufzügen, die im Winter die Kabinen wärmen – eliminiert werden.

SWR und Stadt verfolgen offenbar zweigleisige Strategie

Hinter den Kulissen wird bereits an einer Lösung gearbeitet, die neben technischen Verbesserungen im vorbeugenden Brandschutz auch administrative Maßnahmen umfasst. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung wird unter anderem darüber diskutiert, die Zahl der Besucher zu beschränken, die sich gleichzeitig auf der Plattform des Fernsehturms oder in dem gastronomischen Bereich im Turmkorb aufhalten dürfen. Denkbar ist demnach auch, dass Theateraufführungen und Veranstaltungen mit einem festen Besucherkreis, der sich über längere Zeit oben aufhält, nicht mehr genehmigt werden.

Offenkundig verfolgen SWR und Stadt eine zweigleisige Strategie, um das nach wie vor bestehende Problem der nicht vorhandenen Fluchtwege zu lösen. Einerseits soll mit technischen Veränderungen die Wahrscheinlichkeit, dass im Turmschaft ein Brand ausbricht, auf ein Minimum reduziert werden. Andererseits sollen sich weniger Menschen oben aufhalten, so dass deren Flucht im Notfall schneller organisiert werden kann, als das bisher möglich gewesen wäre. Die entscheidende Frage aber ist, ob das Baurechtsamt sein Plazet erteilt, wenn nach wie vor kein originärer Fluchtweg ausgewiesen ist.