Am Samstag schließt die Stuttgarter Filmgalerie 451. Um den Standort Stuttgart steht es aber nicht nur deshalb schlecht. Was ist los mit der hiesigen Filmpolitik und Filmszene?

Stuttgart - Lässig, skeptisch und doch mit sichtlicher Verletzlichkeit strolcht der Privatschnüffler Philip Marlowe in Robert Altmans Film „The long Goodbye“ durch ein Los Angeles, das sein Erfinder Raymond Chandler so noch nicht kannte. Altmans Detektivfilm ist 1973 entstanden und topfte den längst zum Krimiheiligen gewordenen Marlowe in die damalige Gegenwart um. Das brachte eine der anregendsten Literaturverfilmungen überhaupt hervor. Aber nicht nur dieses Muts zur Innovation oder seines melancholisch sinnigen Titels wegen ist „The long Goodbye“ der ideale Film, um am Samstag bei der Kehrausparty der Filmgalerie 451 in der Gymnasiumstraße gezeigt zu werden.

 

Marlowe in der Interpretation von Elliot Gould hat sich wegentwickelt vom alten Buch- und Leinwandhelden, der trotz seiner Intelligenz und seines Witzes noch ein harter Machoknochen war. Aber dieses Los Angeles um ihn herum hat sich in manchem noch viel stärker verändert. Marlowe wirkt verlorener als je zuvor.

Suche nach einer neuen Rolle

Damit wären wir bei der Filmgalerie 451, deren Inhaber Marc Hug seit Jahren versucht, sie vom alten Videothekenmodell zu lösen, das durch die Filmbesorgungsmöglichkeiten im Internet immer unattraktiver wird. Hug hat nach einer neuen Rolle für die Filmgalerie gesucht, als Veranstalter von Minikino und Seminaren, als Partner für Medienerziehung und als flexibler Dienstleister für alle möglichen Konzepte anderer zu einem neuen Umgang mit Film im öffentlichen Raum. Aber er hat, könnte man sagen, diese Wandlung nun doch nicht schnell genug hinbekommen.

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Für die Stadt Stuttgart ist die Schließung der Filmgalerie 451 ein schwerer Schlag. Seit 2008 hat sie als Hauptstadt eines Filmförderlandes kein Kommunales Kino mehr. Nun stirbt ihr möglicherweise die renommierteste Videothek Deutschlands weg. Was ist los mit der hiesigen Filmpolitik und Filmszene? Die Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann findet da zunächst klare Worte: „Wir müssen alles tun, um der Filmgalerie 451 die Möglichkeit zur Weiterarbeit zu bieten und ihr großes Archiv zu erhalten. Ich sehe die Lösung in der Integration der Einrichtung in ein künftiges Film- und Medienhaus.“ Das klingt gut. Aber ist nicht eben dieses große Film- und Medienhaus ein stets wunderbar ausgemaltes, dann aber an Finanzierungs- und Immobilienfragen scheiterndes Phantom? Eisenmann widerspricht. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Verwirklichung. Darum haben wir gerade im neuen Haushaltsentwurf 150 000 Euro für die Entwicklung einer Planung eingestellt, wie und wo das möglich wäre.“

Ein Ort zum Austausch und der Befruchtung

Jürgen Sauer, der kulturpolitische Sprecher der CDU-Gemeinderatsfraktion, ist da ganz an Eisenmanns Seite. „Die Filmstadt Stuttgart hat viele Akteure und Initiativen, es wird Zeit zu entscheiden, ob sie auch einen Ort haben, wo sie sich und ihre Arbeit zeigen können.“ Sein Gegenüber Monika Wüst von der SPD ist zwar keinesfalls zufrieden mit der bisherigen Unterstützung der Filmszene, hält die aber für so groß, dass man ihr schnellstmöglich einen neuen Treffpunkt schaffen müsse: „Einen Ort zum Austausch und zu gegenseitiger Befruchtung, der dann auch noch dem Ruf Stuttgarts dient.“

Bei so viel forscher Einigkeit klingt Niombo Lomba fast schön zögerlich, wenn sie, wie vor einigen Tagen in dieser Zeitung, mahnt, ein Kommunales Kino und ein Medienhaus dürften nicht überstürzt angegangen werden: „Das Konzept für diese Einrichtung muss stimmen.“

Eine Filmszene besteht nicht nur aus der Produktion

Stuttgart gilt gerne als große Verliererin am Spieltisch der Filmpolitik, seit die Stadt im Vorfeld der Gründung der Filmakademie Baden-Württemberg 1991 abgewinkt hatte: nein, an einer Ansiedlung habe man kein Interesse. Die Filmakademie hat dann von Ludwigsburg aus Weltruhm erlangt. Aber still und leise ist Stuttgart, das dabei von der Nähe zu Ludwigsburg profitiert, zum wichtigen Standort im Bereich der digitalen Bilderzeugung geworden. Aus Stuttgart werden Tricks, Bilder und Designs auch nach Hollywood geliefert. Und Größen dieses Kernbereichs des modernen Filmgeschäfts versammeln sich jährlich zur Fachmesse fmx in Stuttgart – ein Glücksfall, den die Politik nicht gleich in seiner ganzen Bedeutung erfasst hat. Monika Wüste ist sich sicher, viele schätzten „die Wertigkeit der fmx, aber auch der Stuttgarter Kinderfilmtage immer noch nicht richtig ein“. Jürgen Sauer hat die fmx als Pfund der Medienszene aber auf dem Schirm: das Internationale Trickfilmfestival und die fmx, lobt er, setzten „jedes Jahr im Frühjahr die innovativen Akzente in den Bereichen Animation und visuelle Effekte“.Eine Filmszene besteht aber eben nicht nur aus der Produktion, sondern auch aus der Rezeption, aus der Wahrnehmung der Bilder, aus ihrer Wirkungsentfaltung. War die Filmgalerie 451 einmal ein wichtiger Ort der Beratung und Hinführung, ist nun aber verzichtbar, weil das Internet ihr diese Funktion abgenommen hat?

Um diese Frage ein wenig zu klären, um aufzuspüren, was die Filmgalerie leisten konnte und was eventuell verloren ginge, lädt die StZ vor Beginn der Abschiedsvorstellung zur Erinnerungsstunde. Kunden, Weggefährten und Mitarbeiter erzählen, wie das mit dem Filmentdecken bisher vor sich ging und wie sich Ladentheke und Netz  voneinander unterscheiden. Danach kommt der Abschied, den Hug und sein Team noch nicht als endgültigen sehen. Noch hoffen sie, in anderer Form an anderer Stätte weitermachen zu können.

Abschiedsparty Samstag, 28. November, 19 Uhr.