Die Steuereinnahmen liegen über dem Plan, so dass 2012 keine Kreditaufnahme nötig gewesen ist. Die Umwandlung der LBBW-Beteiligung und sinkende Einwohnerzahlen wirken sich aber negativ aus.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart steht am Ende der 16-jährigen Amtszeit von OB Wolfgang Schuster (CDU) besser da als vor zwölf Monaten bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2012/ 2013 erwartet: Im Prinzip ist die Kommune schuldenfrei. Darlehen von 35,5 Millionen Euro stehen ungebundene flüssige Mittel von 44 Millionen Euro gegenüber. Als Schuster die Amtsgeschäfte 1996 übernommen hatte, stand die Stadt noch mit 830,1 Millionen Euro in der Kreide.

 

Dieses Jahr war für Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) ein erfreuliches: Zwei Betriebsprüfungen in den vergangenen Wochen brachten Gewerbesteuernachzahlungen von 80 Millionen Euro; ein Phänomen, das sich verstärke, seitdem mehr Finanzbeamte im Einsatz seien und auch die Kämmerei im Hinblick auf einen korrekten Steuermessbetrag mit eigenen Leuten vor Ort die Aufteilung von Betrieben unter die Lupe nehme. Statt der erwarteten 520 Millionen fließen 2012 rund 600 Millionen Euro in die Stadtkasse, außerdem nahm die Stadt mehre sonstige Steuern ein und kassierte höhere Zuwendungen, so dass sich das eingeplante negative Ergebnis von 8,4 Millionen Euro in ein positives in Höhe von 50 Millionen Euro verwandelt. Die geplante Kreditaufnahme von 70,7 Millionen Euro konnte deshalb ausfallen.

Städtische Eigenbetriebe sind deutlich höher verschuldet

Die städtischen Eigenbetriebe sind bei den Banken allerdings deutlich höher verschuldet als die Stadt selbst, nämlich mit 386,2 Millionen Euro; weitere 200 Millionen sind von der Kommune gewährte Darlehen. Den Löwenanteil der Kreditfinanzierung mit rund 330 Millionen Euro tragen allerdings die Stadtentwässerung und der Abfallwirtschaftsbetrieb; beides sind gebührenfinanzierte Unternehmen.

Michael Föll geht nicht davon aus, dass sich die Folgen der Schuldenwirtschaft der Länder in der Eurozone schon 2013 im städtischen Gewerbesteueraufkommen niederschlagen. Diese kämen mit Verzögerung. Er geht weiter davon aus, 560 Millionen Euro einnehmen zu können, weist aber schon mal darauf hin, dass die Wegzüge von Unternehmen aus Mangel an geeigneten Flächen wie Ernst & Young, Thales, Hahn und Kolb oder (in Teilen) die Württembergische und Wüstenrot nur schwer zu kompensieren seien. Es gelte deshalb, Gewerbeflächen frei zu halten. Die Stadträte dürften nicht nur den Hebesatz im Auge haben, viel wichtiger sei die Basis der Gewerbesteuer, der Messbetrag. Bleibt es bei den prognostizierten Einnahmen und beim Mittelabfluss für Investitionen in Höhe von 400 Millionen Euro, steht die vereinbarte Erhöhung des Schuldenstands im ersten Amtsjahr des neuen OB Fritz Kuhn (Grüne) von rund 200 Millionen Euro ins Haus. Die nächsten Etatberatungen Ende 2013 stehen aus Sicht des Kämmerers unter keinen guten Vorzeichen: 2014 steht die Kommunalwahl ins Haus. In deren Vorfeld verteilen einige Fraktionen nur allzu gerne Geschenke an die Bürger.

Föll muss wegen Umwandlung der LBBW-Beteiligung umplanen

Beim Thema Landesbank-Beteiligung vergeht dem Finanzbürgermeister das Lachen: In diesem Jahr hat er für die rund 1,4 Milliarden Euro umfassende Beteiligung (18,9 Prozent) gar keine Ausschüttung erhalten. Vermutlich werden noch 37,9 Millionen Euro eingenommen, die aus den stillen Einlagen (698 Millionen Euro) resultieren. Die Stadt hat nämlich noch aus den vergangenen Jahren einen Zinsnachholungsanspruch von 118,4 Millionen Euro – auf den größten Teil verzichtet sie aber, indem sie in der vorvergangenen Woche der Umwandlung dieser stillen Einlagen in hartes Kernkapital zugestimmt hat.

Zudem kann Föll letztmalig mit rund 60 Millionen Euro Provision rechnen, die die Stadt für ihre Bürgschaft erhält, mit der Risikopapiere abgesichert werden. Dieser Geldstrom versiegt: Fortan fließt das Geld auf ein Überschusskonto des Garantiefonds, damit man Flüssiges hat, wenn man es braucht. Der Kämmerer war gegen die Umwandlung: Nicht nur die Zinsnachzahlung entfällt, auch das Kernkapital soll künftig mit nicht mehr als 2,5 Prozent verzinst werden – wenn überhaupt, denn dafür ist ein positives Jahresergebnis nötig. Föll hat deshalb die Erwartungen an die LBBW in der mittelfristigen Finanzplanung von 2014 an in Höhe von jährlich 100 Millionen Euro um jeweils 40 Millionen Euro reduziert. Zum Vergleich: damit könnten zehn Feuerwehrhäuser wie jenes in Stammheim neu gebaut werden, oder sechs Sporthallen, und zwar jedes Jahr. Und die Kostenexplosion beim neuen Sportbad um acht Millionen auf rund 22 Millionen Euro wäre nicht der Rede wert.

Neue Einwohnerzahl, weniger Einnahmen

Weitere Mindereinnahmen von 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr seien durch die reduzierten Schlüsselzuweisungen beim kommunalen Finanzausgleich zu erwarten, so Föll. Das hört sich kompliziert an, ist aber einfach: Stuttgart wird vom kommenden Jahr an auf einen Schlag rund 20 000 bis 30 000 Einwohner weniger haben, was sich dann in geringeren Ausgleichszahlungen des Landes niederschlägt. Nicht wegen eines Exodus, sondern wegen einer Bereinigung der Statistiken. Das Land hat seit 1987 die (für den Zuschuss maßgeblichen) Zahlen der Volkszählung fortgeschrieben und kam so etwa 2011 auf 613 392 Einwohner. Das städtische Melderegister erfasst derzeit lediglich 581 092 Stuttgarter, davon 7988 mit Nebenwohnsitz. Für eine Korrektur fehlte bisher die Rechtsgrundlage. Sie wurde nun mit der Volkszählung „Zensus 2011“ geschaffen.