Zum Gang ins Stadion gehört für die meisten Fußball-Fans Wurst und Bier. Am Bad Cannstatter Bahnhof gibt es für die Stadiongänger seit mehr als zwei Jahren einen ungewöhnlichen Verkaufsstand.

Stuttgart - „Guten Tag eine Wurscht bitte, der VfB gewinnt heute“, diesen Spruch hören Milad, Aied und Bejan an jedem Heimspieltag des VfB Stuttgart mehr als hundert Mal. Die ungewöhnliche Bestellung ist zur Gewohnheit geworden, wenn die drei Männer im Alter von 19 und 20 Jahren gemeinsam mit ihren Freunden und Daniel Stengele vom Jugendhaus Bad Cannstatt auf die VfB-Fans treffen.

 

Ihr Verkaufsstand befindet sich direkt vor dem Jugendhaus am Bad Cannstatter Bahnhof und wird daher von vielen Fußballfans auf dem Weg ins Stadion passiert. „Früher hatten wir oft Probleme mit den Fußballfans, die an unserem Haus randaliert habe“, sagt Stengele, der als Sozialarbeiter arbeitet, über die Vergangenheit.

Aus der Idee, den Standortvorteil zu nutzen und mit den Stadionbesuchern in Kontakt zu treten, wurde Realität. Seit mehr als zwei Jahren verkauft eine Gruppe von 15 Männer, die aus dem Irak nach Deutschland geflohen sind, vor jedem Heimspiel der Weiß-Roten Würste, Bier und andere Getränke an die vorbeiziehenden VfB-Anhänger.

Vom Maler zum Wurstverkäufer

Mittlerweile freuen sich sowohl Verkäufer als auch Käufer jedes Mal wieder, wenn ein Heimspiel der Schwaben ansteht. „Wir haben mittlerweile viele Stammgäste, die jedes Mal vor dem Spiel bei uns vorbeikommen“, erzählt der Sozialarbeiter und schätzt die Zahl der verkauften Portionen auf mindestens 250.

Wichtig ist Stengele, dass es sich beim „VfB-Grill“ wie er die Aktion nennt, nicht um ein Projekt oder eine andere von Experten ausgedachte Maßnahme handelt. „Die Jungs kommen gerne zu uns und sind fast jeden Tag da“, erzählt der Jugendhaus-Leiter. Das Grillen für die VfB-Fans sei mittlerweile ein fester Bestandteil im Leben der Jungs.

Die jungen Männer sind mittlerweile in Deutschland angekommen und fühlen sich wohl. Alle drei machen eine Ausbildung zum Maler und Lackierer bei einem Betrieb in Bad Cannstatt, haben die Sprache gelernt und Stuttgart in ihr Herz geschlossen. „Hier ist unsere Heimat, hier sind wir aufgewachsen“, sagt einer der Dreien.

Skeptischer Schwabe trifft auf Iraker am Grill

Zurück in den Irak möchten sie nur noch, um Verwandte zu besuchen. „Ich möchte in Deutschland Fuß fassen, meine Ausbildung beenden, den Führerschein machen und eine eigene Wohnung haben“, beschreiben die jungen Männern ihre Träume.

Doch zurück ins Jugendhaus Bad Cannstatt. „Bei uns ist jeder willkommen. Egal ob alt oder jung, deutsch oder türkisch“, fasst Daniel Stengele zusammen und fährt sogleich fort: „Allerdings gehen wir nicht hausieren und betteln, dass Leute zu uns kommen. Jeder muss den ersten Schritt selbst tun“.

Davon, dass auch Iraker Würste braten können, musste so mancher Schwabe erst überzeugt werden. „Natürlich ist es ungewöhnlich, von einem Iraker bedient zu werden. Wenn dann gleich 15 hinter dem Grill stehen, ist man erst einmal verwundert“, berichtet der Sozialarbeiter. Allerdings gebe es kaum Probleme mit den Kunden oder vorbeilaufenden Fans. „Mittlerweile ist es sogar schon so, dass die Fans einschreiten, wenn es zu einer Beleidigung kommt“, berichtet Stengele stolz.

Gelungene Integration am Grill

War die Verkäufer-Käufer-Beziehung anfangs noch von Zurückhaltung geprägt, so merkt man davon heute nicht mehr viel. „Die Jungs machen gerne mal einen Witz und kommen so mit den Leuten ins Gespräch. Mit Bier, Wurst und Fußball können sie ganz ungezwungen der deutschen Kultur und auch den Deutschen begegnen“, erklärt der Jugendhausleiter und schlussfolgert: „Das ist gelungene Integration“.

Das Geld, das durch den Verkauf erlöst wird, kommt zu einhundert Prozent dem Jugendhaus Bad Cannstatt zu Gute. „Damit fahren wir mit den Jungs einmal im Jahr auf eine Freizeit. In Frankreich und im Schwarzwald waren wir schon“, so der 37-Jährige, „Steuergelder fließen nicht in den Wurstverkauf“.

In der Mercedes-Benz-Arena seien sie selbst noch nicht gewesen, erzählen die drei Wurstverkäufer. „Mit den Eintrittskarten, die wir für das beste Fanfoto bei den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung gewonnen haben, konnten wir mit einem jungen Iraker ins Stadion gehen. Er hat danach allen davon erzählt und war von der Atmosphäre sehr beeindruck“, weiß Stengele zu berichten und schiebt nach: „Vielleicht meldet sich auch mal der VfB. Schließlich betreiben wir auch Imagepflege für den Verein“.

Auch am Samstag baut die Gruppe den Grill wieder vor dem Jugendhaus am Bad Cannstatter Bahnhof auf und versorgt die ins Stadion ziehenden VfB-Fans ab 13 Uhr mit Würsten und Getränken. Auch Anhänger von Borussia Dortmund seien herzlich willkommen. „Hier bekommt jeder eine Wurst, auch wenn er keinen VfB-Sieg möchte“, fügt Daniel Stengele mit einem Schmunzeln bei.

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