Der Flughafen Stuttgart will die Passagiere künftig per Software gezielt an Punkte leiten, die nicht so hoch frequentiert sind. Damit soll die Wartezeit verkürzt werden. Doch das alleine reicht offenbar nicht aus.

Stuttgart - Der Stuttgarter Flughafen stößt an Kapazitätsgrenzen, weil sich die gesetzlichen Anforderungen im Bereich der Personen- und Gepäckkontrolle ständig verschärfen und weil gleichzeitig die Passagierzahlen steigen. Der Check-in-Bereich mit den Warteflächen wird als noch ausreichend dimensioniert angesehen, weil viele Fluggäste ihre Tickets online lösen. Dagegen hat sich der Übertritt von der Land- auf die Luftseite, wo Fluggäste und deren Handgepäck durchleuchtet werden, zum Flaschenhals entwickelt.

 

Die Flughafen GmbH (FGS) will nun organisatorisch, personell und baulich die Voraussetzung schaffen, dass dort Passagiere künftig nicht länger als zehn Minuten in der Warteschlange stehen. Heute sind in den morgendlichen Spitzenstunden oft 15 Minuten nicht zu vermeiden; im Weihnachtsreiseverkehr wurden Wartezeiten von mehr als 20 Minuten festgestellt.

So sieht die Prognose für die Passagierzahlen aus

2015 fertigte der Flughafen 10,5 Millionen Passagiere ab. Das waren 8,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor und ein neuer Rekord; und auch für 2016 rechnet Flughafenchef Georg Fundel mit steigender Tendenz. Freie Slots auf der Piste gibt es tagsüber sowieso, aber auch in der morgendlichen Spitzenstunde, wenn sich die Passagiere auf den Kontrollspuren stauen. Vier weitere Starts von mit 150 und mehr Fluggästen gefüllten Touristen-Maschinen hält Fundel technisch für möglich – allein dann müssten in der Rushhour noch einmal mindestens 600 Personen abgetastet, in den Bodyscanner gebeten, Taschen, Rucksäcke und Kleidungsstücke durchleuchtet, sowie hinter den Kulissen jedes Gepäck kontrolliert werden.

Neue Geräte sind besser, aber langsamer

Ein Dienstleister erledigt die Sicherheitskontrollen im Auftrag der Bundespolizei. Auf die Qualität der Arbeit und das Tempo der Durchsuchung hat die FSG keinen Einfluss. Sie kann lediglich dafür sorgen, dass in den Terminals ausreichend Kontrollspuren zur Verfügung stehen. Das hat der Flughafen mit dem Ausbau von 21 auf 25 Spuren getan, er stößt dabei nun aber an räumliche Grenzen.

Für weitere Stellen müssten nun gastronomische Einrichtungen oder Läden weichen. Das will die FSG vermeiden. Das Problem sind die Geräte: Die neue Generation liefert bessere Bilder, die Untersuchung dauere aber länger, so dass der Durchsatz sinke, klagt Fundel. Außerdem würden die Geräte schwerer, weshalb in Terminal 3 die Bodendecke verstärkt würde, im nächsten Jahr ist Terminal 1 an der Reihe. Bei den Kontrollspuren geht die FSG von 140 Passagieren pro Stunde und Spur als Spitzenwert aus. Im Winter, wenn die Fluggäste auch noch Mäntel, Jacken und Schals abgeben müssen, könnten es durchaus nur 90 sein. Am Stuttgarter Flughafen sind derzeit an den Kontrollstellen sieben Bodyscanner im Einsatz.

Staus an den Kontrollstellen werden automatisch erkannt

Die FSG-Tochter Cost Aviation, die weltweit Prozesssteuerungen für Airlines und Bodenverkehrsdienste vornimmt und bei der Einführung hilft, hat für die Konzernmutter eine Software entwickelt, mit dem sich die Personenströme nachvollziehen und mittels Hinweistafeln steuern lassen. 200 Videokameras erfassen dann jeden Passagier beim Betreten des Gebäudes. Auf den Monitoren erscheint er als roter Punkt, sein Laufweg wird exakt nachvollzogen. So können Staus an den Kontrollstellen identifiziert und Fluggäste auf schwächer frequentierte Übergänge umgeleitet werden. Dienstvorgesetzte erkennen, welches Wachpersonal zu langsam arbeitet und kann – etwa durch Nachschulung oder Teamumbildung – gegensteuern.

Mitarbeiter von FSG und Bundespolizei ermitteln zudem täglich frühzeitig und minutenscharf auf Basis des Flugplans und aktualisierter Airline-Meldungen die erwartete Passagierzahl und können so das erforderliche Personal punktgenau einsetzen. Die Software sei so ausgefeilt, dass auch Mitbewerber Interesse hätten.

Neues Terminal soll mehr Flächen für Kontrollen bringen

Zusätzlich denkt die FSG an einen Um- oder Neubau, um den über kurz oder lang entstehenden Flächenbedarf für Check-in und Kontrollspuren zu befriedigen. Georg Fundel sagt, „das ist kein Größenwahn, sondern weitsichtig“. Bis zu einem Baubeginn könnten aber noch zweieinhalb Jahre vergehen. Denkbar wäre etwa, den in Einfachbauweise erstellten Terminal 4 zu ersetzen. Neben zusätzlichen Kontrollstellen muss auch die Gepäckabfertigung neu konzipiert werden. Dort sollen ebenfalls größer dimensionierte Geräte neuster Bauart zum Einsatz kommen.

Der Terminal 4 könnte dann zum Standort der Billigflieger Ryan Air und Easy Jet werden, sofern diese ihr Engagement in Stuttgart ausdehnen würden. Fundel setzt darauf und würde mit einer Brücke über die Haupterschließungsstraße des Rollfelds auch die räumlichen Voraussetzungen schaffen. Deren Wunsch ist nämlich, dass die Passagiere ihren Flieger zu Fuß erreichen können und nicht mehr mit einem Bus hingebracht werden müssen.