Schon kurz nach seiner Vereidigung muss sich der neue Oberbürgermeister Fritz Kuhn in Sachen Stuttgart 21 erstmals bewähren. Aber auch abseits des Bahnprojekts gibt es für den Grünen viel zu tun.

Stuttgart - Schneller, als ihm lieb sein dürfte, muss sich Fritz Kuhn nach dem Sieg bei der OB-Wahl im vergangenen Oktober als neu gewähltes Stadtoberhaupt beweisen. Vom kommenden Montag an, wenn aus dem designierten der amtierende OB Fritz Kuhn geworden ist, wird der neue Chef im Rathaus zeigen, wie er in den nächsten acht Jahren die Landeshauptstadt zu führen gedenkt. Und es gibt fürwahr genügend Baustellen, um die sich Kuhn kümmern will – und fast noch mehr, um die er sich kümmern muss.

 

Die erste ist die Großbaustelle Stuttgart 21: Bis zur Sitzung des S-21-Lenkungskreises am 21. Januar muss der Grüne angesichts der von der Bahn eingeräumten milliardenschweren Mehrkosten seine Verhandlungsposition abstecken – nicht nur gegenüber der Bahn, sondern durchaus auch gegenüber der grün geführten Landesregierung. Während sein Parteifreund, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, noch vor Weihnachten Verhandlungsbereitschaft in der Frage einer Landesbeteiligung an Mehrkosten für den neu geplanten Flughafenbahnhof signalisiert hat, hatte Kuhn stets betont, die Stadt gebe keinen Cent mehr als vertraglich vereinbart für das Bahnprojekt – es sei denn, eine Mehrheit der Stuttgarter stimme in einem Bürgerentscheid für eine weitere finanzielle Beteiligung der Stadt. Wie es in Sachen S 21 überhaupt weitergeht, wird man wohl erst nach der Sitzung am 21. Januar wissen.Einen eigenen Schwerpunkt seiner Amtszeit hat Kuhn im Wahlkampf schon gesetzt: den Kampf gegen den Feinstaub. Als OB will er ein gestaffeltes Tempolimit auf Stuttgarts Straßen einführen, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, dessen Taktzeiten optimieren und zugleich das Parken in der Innenstadt unattraktiver machen. Sein erklärtes Ziel – 20 Prozent weniger Autos in der Stadt – ist ehrgeizig. Zum 1. Juli will Kuhn sein mit Land und Regierungspräsidium abgestimmtes Programm zur Feinstaubbekämpfung vorlegen.

Ehrgeizige Ziele bei der Kinderbetreuung

Auch bei der Kinderbetreuung hat sich der Neue einiges vorgenommen. Mehr Kitas sollen gebaut werden, die durchschnittliche Betreuungsquote für Kinder bis zum Alter von drei Jahren soll von 43 Prozent deutlich gesteigert werden. Auch bei den Öffnungszeiten will Kuhn Angebote, die über die bisherigen acht Stunden hinausgehen. Dazu braucht es Personal, das leistungsgemäß und gemessen an den örtlichen Lebenshaltungskosten bezahlt sein will. Ob die von Fritz Kuhn ins Gespräch gebrachte Hauptstadtzulage rechtlich machbar ist, muss sich erst noch zeigen.

Beim Thema Energiewende will Kuhn ebenfalls vorangehen und Stuttgart im doppelten Wortsinn zu einer grünen Stadt machen. Stichworte hier: grünes Bauen, Energie sparen und mehr Strom aus erneuerbaren Energien generieren.

Ein weiteres Thema seiner Amtszeit, das er allerdings von seinem Vorgänger geerbt hat, ist die Sanierung der Schulen. Kuhn will zudem der Gemeinschaftsschule, die von den politischen Gegnern als Einheitsschule geschmäht wird, innerhalb des vielfältigen Schulsystems einen gebührenden Platz einräumen. Im Wahlkampf hatte er verkündet: „Für mich ist die Gemeinschaftsschule keine Notschule, wenn sonst der Laden dicht machen muss. Sie ist eine eigene Schulform, die hohes Entwicklungspotenzial hat.“ Zu guter Letzt knüpfen sich auch beim Thema Wohnungsbau hohe Erwartungen an den neuen OB. Vor allem die Sozialdemokraten im Gemeinderat, die nach dem Rückzug ihrer OB-Anwärterin Bettina Wilhelm zur Wahl des Grünen aufgerufen hatten, wünschen sich, wie von Kuhn propagiert, eine Priorisierung des Wohnungsbaus – auch des geförderten.