Mit dem Beginn der Rückrunde wird es auch für die Trainer wieder ernst. Immer größer werden die Anforderungen. Doch was braucht es eigentlich, um ein erfolgreicher Trainer zu sein?

Stuttgart - Klaus Augenthaler hat die Fußballwelt mit vielen schönen Sprüchen bereichert, einer von ihnen geht so: „Es ist unwesentlich, was ich als Trainer während der Woche mit der Mannschaft mache. Ob ich 24 Stunden am Tag arbeite oder drei Purzelbäume schlage – wenn wir samstags gewinnen, ist alles gut, und wenn wir verlieren, alles schlecht.“

 

Augenthalers Dienste sind schon seit ein paar Jahren nicht mehr nachgefragt worden, er hat viel Zeit und geht gern Fischen – im Grundsatz jedoch gilt seine These noch immer. Es gibt keine guten oder schlechten Trainer, es gibt nur erfolgreiche oder erfolglose. Immer schwieriger aber wird es, zur ersten Gruppe zu gehören.

Der moderne Fußball ist eine Wissenschaft – konsequenterweise hat der DFB in der Woche, bevor die Bundesliga in die Rückrunde startet, zu seinem dritten Wissenschaftskongress nach Frankfurt geladen. Professoren mit mehreren Doktortiteln referieren ihre Studien über „Effekte des Kopfballspiels auf Hirnfunktionen“, erörtern „unterschiedliche Facetten des Falschspiels“. Und nicht zuletzt wird natürlich auch über die Position des Trainers debattiert. Er ist der wichtigste Mann im Club und hat Aufgaben zu erfüllen, die noch nie so komplex und anspruchsvoll waren.

„Es hat sich in den vergangenen Jahren enorm viel getan“, sagt der DFB-Sportdirektor Hans Flick: „Der Trainer ist eine Art Manager und braucht für sein Tun eine gewaltige Werkzeugkiste.“ Immer größer werden einerseits die Funktionsteams um die Mannschaft herum. Es gibt ein Heer an Assistenten, Fitnesstrainern, Physiotherapeuten, Psychologen, Ernährungsberater, Scouts, Analysten. Der Trend zur Spezialisierung werde weiter anhalten, sagt Flick, „wir sind da erst am Anfang“. Bald würden die Stäbe nach dem Vorbild des US-Footballs durch eigene Defensiv-, Offensiv- oder Techniktrainer erweitert. In ihren Gebieten mögen all diese Experten über mehr Detailwissen verfügen als der Chefcoach – er aber ist es andererseits, der die Oberaufsicht hat und die Verantwortung trägt. Aus der Flut an Informationen muss er das herausfiltern, was er für wichtig hält.

Dringend gesucht: der Alleskönner

Neben der rein fußballerischen Expertise benötigt der Trainer heutzutage ein hohes Maß an Sozialkompetenz im Umgang mit den Spielern, deren Familien- und Beraterumfeld und seinem Funktionsteam; er sollte über Kenntnisse in vielen Bereichen der Wissenschaft verfügen und selbstverständlich ein Medienprofi sein, ein Feld, das immer wichtiger wird. „Ein Cheftrainer muss in jedem Bereich Wissen haben, um sein Personal kompetent führen zu können“, sagt Frank Wormuth, der DFB-Chefausbilder der Fußballlehrer.

Mit den gewachsenen Anforderungen ist auch das Niveau der Ausbildung gestiegen. Das hat dazu geführt, dass sich immer weniger Exprofis und immer mehr junge Theoretiker um einen der jährlich 24 Plätze bewerben. „Laptoptrainer“ hat Mehmet Scholl jene Leute genannt, die selbst nie hochklassig Fußball gespielt haben, dafür aber über das geballte theoretische Wissen verfügen. Offene Stellen gibt es für sie inzwischen genügend, seit die Proficlubs verpflichtet sind, Nachwuchsleistungszentren zu betreiben und schon in der U 15 hauptamtliche Trainer zu beschäftigen.

Es ist eine Entwicklung, die auch Frank Wormuth für problematisch hält. Zwar seien die Zeiten vorbei, in denen ein Trainer mehr eigene Erfolge vorweisen müsse als seine Spieler – „Inhalte sind wichtiger als Titel“. Doch sei eine gewisse Erfahrung auch weiterhin von Vorteil: „Die jungen Trainer neigen dazu, ihr großes Wissen immerzu einsetzen zu wollen. Sie können nicht zehn Minuten ruhig dastehen und nichts machen. Das überfordert die Spieler. Trainer müssen auch loslassen können.“ Um die Praktiker wirbt Wormuth daher, die Exprofis, die früher direkt vom Spielfeld auf den Trainerbank wechseln konnten – und später mitansehen mussten, wie sie von den Theoretikern verdrängt wurden. In ein paar Jahren, glaubt Wormuth, werde sich der Trend wieder ändern, „denn die Exprofis haben gemerkt, dass sie den Trainerberuf erst richtig lernen müssen“.

Spannendes Experiment in Hoffenheim

Vorerst aber gibt es noch „eine Lücke“, die vom akademischen Nachwuchs besetzt wird. In Hoffenheim wird zur neuen Saison Julian Nagelsmann neuer Trainer, ein 28-Jähriger, der seine Spielerkarriere früh beendet hat und derzeit die U 19 der Kraichgauer betreut. Es ist ein spannendes Experiment mit ungewissem Ausgang. „Die größte Herausforderung eines Trainers besteht darin, die Akzeptanz seiner Spieler zu gewinnen“, sagt Wormuth.

Die Beförderung von Nagelsmann sieht der Trainerexperte als weiteres Beispiel für den „Thomas-Tuchel-Effekt“. Nachdem der jetzige Dortmunder Coach in Mainz aus dem Nichts gekommen war und für gewaltiges Aufsehen gesorgt hatte, wagten es auch andere Clubs, unkonventionelle Trainerentscheidungen zu treffen. Dass Leute wie Markus Gisdol (Hoffenheim), Tayfun Korkut (Hannover) und Alexander Zorniger (Stuttgart) wieder ohne Job sind, sehen nun manche als Beleg dafür, dass der Trend wieder in eine andere Richtung gehen könnte. Hoffenheim behilft sich vorübergehend mit Huub Stevens, beim VfB sitzt der Exprofi Jürgen Kramny auf der Bank, Hannover hat nach Michael Frontzeck in Thomas Schaaf ein weiteres Bundesliga-Urgestein engagiert, für das ein Laptop nicht das wichtigste Hilfsmittel sein dürfte.

Beim Wissenschaftskongress in Frankfurt plädiert Gerd Gigenzer, Leiter des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, ohnehin dafür, nicht immer nur rationale, wissenschaftlich begründbare Entscheidungen zu treffen. „Im Fußball spielen auch Intuition und Bauchgefühl eine ganz wichtige Rolle.“ Das dürfte ganz im Sinne von Klaus Augenthaler sein, der schon immer gewusst hat: „Wenn die Köpfe der Spieler nur eine Hülle sind ohne Hirn, dann ist es egal, ob du mit einer Vierer- oder einer Schneekette spielst.“