Die ersten 34 Kommunen haben den Segen des Kultusministeriums für Gemeinschaftsschulen bekommen. Die Neuorientierung erfolgt vor allem auf dem Land.

Stuttgart - An großen Worten fehlt es nicht: "Wir stehen vor einer nachhaltigen Veränderung des Schulsystems", sagt Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD). "Eine neue Ära der Bildungspolitik" sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB ) mit der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg heraufziehen.

 

Im Herbst können 34 bisherige Haupt- und Werkrealschulen als Gemeinschaftsschulen an den Start gehen. Diese liegen hauptsächlich in ländlichen Gemeinden. Offenbar kommt dort die Standortsicherung zum Tragen. Von 50 Schulen in der engeren Auswahl scheiterten einige an der vorgesehenen Mindestgröße. Realschulen und Gymnasien sind nicht unter den Bewerbern.

Selbstverantwortliches Lernen

Formal können die Gemeinden ihre Anträge erst stellen, wenn der Landtag das Schulgesetz geändert hat. Das wird im April erwartet. Doch die 34 Schulen erfüllen die Kriterien, versichert das Ministerium. Damit könnten die Schulen nun die Eltern verständigen, dass die Schulen nach den Sommerferien Gemeinschaftsschulen werden. Die Eltern von Viertklässlern müssen ihre Kinder bereits Ende März auf die weiterführenden Schulen anmelden.

Von den 34 Starterschulen haben 16 zwei und mehr Parallelklassen pro Jahrgang, 13 Schulen sind ein- bis zweizügig, fünf sind bis jetzt einzügig. Sie gehen davon aus, dass sie durch die Ernennung zur Gemeinschaftsschule zweizügig werden können. Die Schulen, die zum Teil seit zehn Jahren nach neuen pädagogischen Konzepten arbeiten, erfüllen nach Auskunft des Kultusministeriums die Kriterien, die die Robert-Bosch-Stiftung an den Deutschen Schulpreis anlegt. Warminski-Leitheußer sagte, diese Kriterien seien am besten evaluiert.

Das Kultusministerium erwartet, dass Gemeinschaftsschulen den Schwerpunkt auf selbstverantwortliches Lernen legen, dass sie das individuelle und kooperative Lernen "planvoll und kontinuierlich" fördern. Teamarbeit wird großgeschrieben, Lehrer sollen sich als Lernbegleiter verstehen, das Schulklima soll geprägt sein von "Freude am Lernen und am Miteinander". Außerdem müssen die künftigen Starterschulen praktische Erfahrungen in der Ganztagsbetreuung, in der aktiven Elternarbeit und im gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülern, in der Inklusion, vorweisen.

Spezielle Fortbildung für die Lehrer

Weitere Schulen können sich im November für das Schuljahr 2013/14 bewerben. Die Kultusministerin bezeichnet mehr soziale Gerechtigkeit und bessere Leistungen der Schüler als die wichtigsten Motive für die Einführung der Gemeinschaftsschule. Eine wissenschaftliche Begleitung der Starterschulen soll belegen, ob diese Ziele auch erreicht werden. Für die Lehrer an den künftigen Gemeinschaftsschulen ist eine spezielle Fortbildung vorgesehen.

Die oppositionelle CDU, der Gemeindetag und der baden-württembergische Arbeitgeberverband verlangen ein schlüssiges Gesamtkonzept. Die Arbeitgeber warnen, "eine reine Veränderung der Schulstruktur wird kein Problem lösen". Der Gemeindetag begrüßt es, das Konzept Gemeinschaftsschule zu erproben. Doch sei nicht klar, welche Schulstrukturen die Landesregierung in der Zukunft wünsche. Der Handwerkstag verspricht sich von der Gemeinschaftsschule eine Verbesserung der Ausbildungsreife der Absolventen. Noch sei aber offen, wie sich erkennen lasse, welchen Wissensstand die Schüler dieser neuen Schulart mitbrächten.

Klarheit hat die Ministerin bei der Frage der Schulsozialarbeit geschaffen. Nachdem der Städtetag die unklare Finanzierung beklagt hatte, sprach Gabriele Warminski-Leitheußer am Montag von einem Missverständnis. Das Land werde sich zu einem Drittel beteiligen. Sollte das bisher mit den Kommunen verhandelte Budget von 15 Millionen Euro nicht ausreichen, müsse nachverhandelt werden.