Wie fühlt es sich an, mit Google Glass umzugehen? Das haben wir getestet. Um die Datenbrille zu bedienen, muss man neue Handgriffe einüben. Für Andere sieht das zunächst einmal komisch aus.

Stuttgart - Diese Erfindung ist gewöhnungsbedürftig, denn mit der Brille sieht man aus wie ein „Borg“ – ein Wesen halb Mensch, halb Maschine, wie in der bekannten Weltraumsaga „Star Trek“. Nur ein Auge hat freie Sicht, das andere ist abgedeckt. Wenn im kommenden Jahr Googles neues Gadget „Glass“ auf den Markt kommt, wird man sich an dieses Bild auf der Straße aber gewöhnen müssen. Wer die Brille aufsetzt, merkt: der breite Rahmen mit dem davor gespannten Glasprisma wirkt zwar wuchtig und schwer, dafür sitzt Google Glass jedoch erstaunlich leicht auf der Nase, wenn auch der rechte Bügel deutlich schwerer ist. Darin befinden sich Akku, Technik und Touchpad.

 

Die Brille – eigentlich keine Brille im herkömmlichen Sinn – bringt ihrem Träger virtuelle Welten direkt vor die Nase. Man hat den Eindruck, als würde man mit dem rechten Auge auf ein 24-Zoll-Display in zweieinhalb Meter Entfernung schauen. Das Bild wird durch einen kleinen Monitor erzeugt, dessen Darstellung über Spiegel umgelenkt wird und so direkt vor dem Auge des Betrachters schwebt. Gestartet wird das Programm durch Antippen eines Touchpads im Bügel, woraufhin eine Uhr im Bildschirm sichtbar wird. Wischt man nun auf dem Touchpad, werden die verfügbaren Apps wie etwa Googles Wetterdienst angezeigt. Das Wischen und Klopfen gegen den Bügel kann bei Außenstehenden den Eindruck erwecken, als würde man ihnen einen Vogel zeigen.

In das Menü von Google Glass gelangt man aber auch durch den gesprochenen Befehl „OK, Glass!“. Sofort werden dann weitere mögliche Sprachbefehle ins Sichtfeld eingeblendet. So lassen sich mit „Take a picture!“ direkt Fotos davon machen, was man gerade sieht. Bei einer Auflösung von fünf Megapixel gibt das einen ganz guten Schnappschuss. Mit „Record a video!“ wird hingegen ein Video aufgenommen. Dieses Sprechen mit der Brille erinnert an die Freisprechanlage von Handys und ist für alle Umstehenden gewöhnungsbedürftig, da man scheinbar ständig mit sich selbst redet.

Nur der Träger hört, was die Brille ihm sagt

Mit anderen Wortfolgen oder Touchpad-Eingaben kann man überdies auch telefonieren, SMS verschicken und im Internet surfen. Kopfbewegungen können die Maus am Computer ersetzen. Um den Cursor beim Internetsurfen zum Beispiel nach unten zu bewegen, muss man nicken. Nicht zuletzt kann die Brille in Kombination mit dem Handy zur Navigation genutzt werden. Der Stadtplan mit der entsprechenden Route wird nach kurzer Zeit eingeblendet. Allerdings ermüden die Augen recht schnell, da sie sich in raschem Wechsel auf die kleine Stadtkarte und dann wieder auf den Weg einstellen müssen. Das Besondere: Google Glass spricht mit dem Träger. Die akustischen Signale werden aber direkt über den Schädelknochen zum Ohr geleitet, so dass in aller Regel nur der Brillenträger hört, was Google Glass zu ihm sagt.

All dies klingt geheimnisvoll und verschwörerisch. Noch bevor man Google Glass käuflich erwerben kann, hat die Datenbrille daher bereits Kritiker auf den Plan gerufen. Während das Gadget für viele IT-Spezialisten einen technischen Meilenstein darstellt, sehen Datenschützer durch sie eher Gefahren für die Privatsphäre des Nutzers und anderer Menschen heraufziehen. Sie befürchten, dass man mit der Brille zum Beispiel in der Lage ist, heimlich seine Umgebung zu observieren. Jeder Träger der Datenbrille übermittelt zudem seinen Standort über GPS und erlaubt so das Erstellen von Bewegungsprofilen.

Mehr noch: im Zusammenhang mit den Enthüllungen des aktuellen Überwachungsskandals des amerikanischen Geheimdienstes NSA wurden weitere Datenschutzbedenken bezüglich Google Glass geweckt – das Produkt kommt just zu einem Zeitpunkt auf den Markt, zu dem ohnehin viel über Datenschutz debattiert wird. Ob diese Befürchtungen gerechtfertigt sind, bleibt abzuwarten. Heute steht hingegen schon fest, dass die Datenbrille eine der wohl aufregendsten Neuerungen in der Kommunikationstechnologie der kommenden Jahre sein dürfte – auch wenn das Tippen an den Kopf eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist. Aber hierfür arbeitet Google gegenwärtig an einer Lösung. Die Anlagen zur Gestensteuerung sollen bereits in den Programmcode implementiert sein.