Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut (CDU) plant eine Landesbauordnung mit weniger Ökologie. Fassadengrün und Fahrradstellplätze sollen gestrichen werden. Grüne und Naturschützer halten dagegen.

Stuttgart - In der grün-schwarzen Landesregierung verschärft sich der Streit um die Landesbauordnung. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) verlangt von den Grünen, ökologische Auflagen zu streichen, die in der vergangenen Legislaturperiode in der Verantwortung des damaligen Infrastrukturministers Winfried Hermann gesetzlich verankert worden waren. So soll die Pflicht, Fahrradstellplätze ebenerdig, wettergeschützt und diebstahlgesichert zu errichten, gestrichen oder zumindest gelockert werden. Gleiches gilt für die Auflage zur Begrünung von Dächern und Fassaden, wenn keine Grünflächen vorhanden sind, oder auch für einige Anforderung an die Barrierefreiheit und im Energiebereich.

 

„Die Entschlackung der Landesbauordnung ist und bleibt ein wichtiger Hebel, um mehr Wohnraum im Land zu ermöglichen“, sagte Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut der Stuttgarter Zeitung. „Wir müssen aufpassen, dass wir glaubwürdig bleiben. Man kann nicht in Sonntagsreden die Erleichterung des Wohnungsbaus fordern und auf der anderen Seite genau dies verhindern.“ Eine Flexibilisierung der Landesbauordnung gehört zu den Empfehlungen, welche die von der Landesregierung initiierte Wohnraumallianz im Dezember vorgelegt hat. Allerdings sind die Naturschutzverbände und die Grünen damit nicht einverstanden. Susanne Bay, die wohnungsbaupolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, sagt: „Das sind Dinge, die sind uns wichtig. Wir müssen auch in die Zukunft sehen.“ Bay verteidigt die Fahrradabstellplätze mit dem Hinweis, ein Verzicht auf Stellplätze für Autos verbillige das Bauen deutlich stärker. Das Mobilitätsverhalten der Menschen verändere sich, besonders in den Städten.

Grüne: Nicht Altlasten von morgen bauen

Die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender sieht hinter dem Kampf gegen das Fassadengrün eine Ideologie mit der Botschaft: „Stadt ist Stein.“ Dabei verlangten Stadtbewohner wie Stadtbesucher ein menschenfreundliches Umfeld. Das Umweltressort von Minister Franz Untersteller (Grüne) warnt, kurzfristige Lösungen könnten anfangs vielleicht Kosten einsparen könnten, führten aber auf Dauer zu höheren Ausgaben.

Nach unterschiedlichen Schätzungen müssten derzeit 50 000 bis 75 000 Wohnungen jährlich gebaut werden, um den Bedarf zu befriedigen. Tatsächlich war es zuletzt aber maximal die Hälfte. Es fehlt an Baugrund, und die Baukosten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Allein die Fahrradabstellplätze erfordern nach Angaben des Verbandes baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen bei einem Haus mit acht Wohnungen einen zusätzlichen Flächenbedarf von 32 Quadratmetern. Es handle sich um einen gravierenden Kostenfaktor. Bei der Fassadenbegrünung lägen die Kosten zwischen 95 und 900 Euro je Quadratmeter. Dazu komme die jährliche Pflege und Wartung, die zu den Betriebskosten der Mieter hinzugerechnet werden müsse. Dabei gehe es um 15 bis 70 Euro pro Quadratmeter Fassadengrün im Jahr. Gudrun Heute-Bluhm vom baden-württembergischen Städtetag sagt: „Ob man wirklich überall einen Fahrradabstellplatz mit wertvoller Baufläche braucht, bezweifle ich.“