Das Innenministerium am Karlsplatz wird abgerissen – und auch ein Teil der Kunstwerke darin droht mit unterzugehen. Staatssekretär Rust sichert aber zumindest eine Dokumentation zu.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Viele Stuttgarter werden dem Gebäude am Karlsplatz, in dem noch kurze Zeit das Innenministerium residiert, keine Träne nachweinen: Vielen erscheint das Haus als hässlicher Klotz. Schon im Februar wollen die Mitarbeiter des Ministeriums in ihr neues Domizil am Neckartor ziehen – das Haus selbst wird abgerissen, das Areal Teil des neuen „Dorotheenquartiers“ der Firma Breuninger. Eine sofortige Beseitigung ist aber nicht vorgesehen: „Mindestens für einige Monate wird das Gebäude noch interimsweise von uns genutzt“, sagt der Breuninger-Sprecher Christian Witt.

 

Was viele Bürger nicht wissen, weil man in das Innenministerium als Normalsterblicher gar nicht hineinkommt, ist dies: Das Gebäude beherbergt eine ganze Reihe von Kunstwerken, die teilweise samt dem Haus zerstört werden sollen. „Ein Prozent der Bausumme hat das Land vor der Einweihung 1958 für die Kunst am Bau ausgegeben“, sagt Albrecht Ernst, der Vorsitzende des Stuttgarter Geschichts- und Altertumsvereins: „Sie verleiht dem Innern eine noble Atmosphäre.“ Ernst hat sich in den vergangenen Wochen dafür eingesetzt, die Kunstwerke zu retten.

Auch Mitarbeiter des Ministeriums arbeiten an einer Broschüre. Acht mehr oder weniger bekannte Künstler aus dem Land haben damals das Ministerium gestaltet. Ihr Auftrag war, auf jeweils individuelle Weise ideell den Geist und konkret die verschiedenen Gebiete des noch jungen Bundeslandes darzustellen.

In jeder Etage wird ein Landesteil künstlerisch dargestellt

Künstlerischer Mittelpunkt sind die Vorhallen der fünf Geschosse. In jeder Etage war eine Wand von einem Künstler gestaltet worden. Ernst Kibler (1901-1976) stellte in einem Metallrelief nordwürttembergische Städte dar. Heinrich Hartmann (1914-2007) entschied sich für ein Natursteinmosaik mit Motiven südwürttembergischer Burgen und Kirchen, Bert Jäger (1919-1998) verewigte in einer Wandmalerei Südbaden, und Erwin Spuler (1906-1964) nutzte die Technik der Wandkeramik, um den badischen Greif und den württembergischen Hirsch zu interpretieren.

Als Historiker kann Albrecht Ernst selbst nicht exakt beurteilen, wie wertvoll diese Kunstwerke sind: „Aber sie sind auf jeden Fall typisch für die Nachkriegskunst und damit erhaltenswert“, sagt er. Heute mögen die Kunstwerke teilweise altmodisch erscheinen – damals galten sie manchen Zeitgenossen umgekehrt als zu modern. In einem Zeitungsartikel zur Eröffnung des Innenministeriums im September 1958 heißt es: „Rechts [neben dem Haupteingang] ist eine merkwürdige Art badischer Greif zu bestaunen und links ein offensichtlich weidwunder württembergischer Hirsch in Bronze zu bedauern.“

Daneben glänzt im Eingangsbereich des Ministeriums ein großer Phönix aus Bronze, der daran erinnern soll, wie das Land nach dem Krieg aus dem Schutt zu neuem Leben erwacht ist. Im „Ministerbesprechungsraum“ finden sich zehn sogenannte Majolikaplatten von Traude Fleiner (1919-2009), auf der Sagen und Erzählungen aus der Geschichte des Landes zu sehen sind, wie etwa die Sieben Schwaben oder der Schäferlauf von Markgröningen.

Alle Kunstwerke werden zumindest fotografisch dokumentiert

Breuninger hat sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt, wie Christian Witt einräumt. Die Intervention von Albrecht Ernst hat nun aber in Teilen Erfolg gehabt. Ingo Rust, Staatssekretär im für die Gebäude zuständigen Finanzministerium, versicherte in einem Brief, dass alle Kunstwerke, die nicht fest mit dem Gebäude verbunden sind, ausgebaut und sichergestellt werden sollen. Alle weiteren Objekte sollen zumindest fotografisch dokumentiert werden. „Es ist mir ein großes Anliegen, das kulturelle Erbe zu erhalten“, so Ingo Rust.

Vor allem das prächtige Natursteinmosaik von Heinrich Hartmann, das direkt auf der Wand angebracht ist, hält Albrecht Ernst aber für erhaltenswert; man müsse den Ausbau wenigstens versuchen. Auch der Phönix wirke nur, wenn die Kalksteinplatten, die als Rahmen dienen, mit geborgen würden; das sei nicht geplant. Weiter stelle sich die Frage, wo die Kunstwerke, die geborgen werden, aufgestellt würden. Im neuen Innenministerium wird das jedenfalls nicht sein, denn für das Gebäude gibt es ein eigenes Kunstkonzept. Es werde derzeit überlegt, schreibt Ingo Rust in seinem Brief, Standorte in anderen landeseigenen Gebäuden zu finden.

Was das Gebäude des alten Innenministeriums als hässlichen Klotz angeht, so sei übrigens eine Anmerkung erlaubt: Das Wirtschaftsministerium an der Theodor-Heuss-Straße, das aus der gleichen Zeit stammt und einige Ähnlichkeit mit dem Innenministerium am Karlsplatz aufweist, steht sogar unter Denkmalschutz, und zwar als „exzellentes Beispiel für den Aufbruchswillen eines ganzen Landes“, wie es in einem jüngst erschienenen Artikel des Denkmalpflegers Hendrik Leonhardt heißt. Die farbige Wandgestaltung des Speisesaals im Wirtschaftsministerium stammt übrigens ebenfalls vom Karlsruher Künstler Erwin Spuler, der im Innenministerium für die Wandkeramik in der vierten Etage verantwortlich war.