Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Haben Sie schon Ihren Frieden mit der bevorstehenden Großen Koalition gemacht?
Ich habe schon am Wahlabend gesagt: Jetzt darf es nur eine Große Koalition geben.
Schwarz-Grün ist für Sie keine Option?
Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt: Nein. Dazu ist die Einstellung der Grünen zu industriefeindlich, auch wenn sie gegenwärtig offensichtlich einen Mutationsprozess einleiten. Bei Schwarz-Grün hätte ich zudem die Befürchtung, dass sich an der in die falsche Richtung laufenden Umsetzung der Energiewende kaum etwas korrigieren lässt. Wenn die Grünen auch noch in ihrem Kernthema Zugeständnisse machen müssten, wäre das für sie lebensgefährlich.
Der markanteste Kompromiss der Koalition könnte der gesetzliche Mindestlohn werden. Die Union scheint da sehr flexibel zu sein?
Da entsteht zumindest der Verdacht, dass CDU und CSU zu Zugeständnissen bereit sind – was ich für den Arbeitsmarkt als äußerst schädlich betrachte. Es kann gar nicht anders sein, als dass ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn in der Tendenz zu Arbeitsplatzvernichtung führt.
Wenn der allgemeine Mindestlohn kommt, werden Sie ihn doch irgendwann akzeptieren müssen?
Ich halte einen einheitlichen, flächendeckenden Mindestlohn für falsch. Wenn die Regierung jedoch einen Mindestlohn beschließen sollte und Regelungen zur Umsetzung schafft, bei denen wir aufgefordert werden mitzumachen, werden wir uns dem Verfahren nicht verschließen.
Was bedeutet es für die Tarifautonomie, wenn wir einen flächendeckenden Mindestlohn bekommen, der in einigen Branchen oberhalb des Tarifvertrags liegt?
Das ist ein ganz besonderes Problem. Wir haben 41 gültige Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften, bei denen die Einstiegslöhne unter 8,50 Euro liegen. Für mich wäre das eine fatale Entwicklung, wenn die Große Koalition diese 41 Tarifverträge über Nacht für nichtig erklären würde.
Werden Sie dann dagegen klagen?
Wir warten mal ab, was tatsächlich beschlossen wird. Dann werden wir sicherlich mit unseren Juristen prüfen, ob es Möglichkeiten zur Klage gibt. Ich bin gespannt, wie der Regierung dieser Spagat gegebenenfalls gelingt.
Und die Rolle der Gewerkschaften?
Die ist widersprüchlich. Einerseits schließen sie mit uns die erwähnten Tarifverträge ab – andererseits fordern sie in ihren Stellungnahmen einen gesetzlichen Mindestlohn.
Auch im Streit um die Werkverträge droht Ihnen Unheil. Womöglich räumt die Große Koalition den Betriebsräten mehr Mitsprache ein?
Ich lehne Scheinwerkverträge ganz entschieden ab und appelliere an die Firmen, äußerst vorsichtig zu sein, damit dieser Verdacht nicht entstehen kann. Generell sind Werkverträge aber das Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Mein Unternehmen lebt, was die Automobilzulieferung angeht, ausschließlich von Werkverträgen. Wenn erweiterte Mitspracherechte beschlossen würden, braucht jedes Automobilunternehmen die Zustimmung seines Betriebsrates, einen Werkzeugsatz an Allgaier vergeben zu können. Dies wäre verfassungsrechtlich sicher hochbedenklich, weil es eine Einschränkung der Unternehmensrechte darstellt. Wir werden sehen, was beschlossen wird, und dann die Juristen damit befassen, ob eine Klage dagegen aussichtsreich ist.
Was müsste die Große Koalition vor allem anpacken?
Erstens eine Politik zur weiteren Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise, wo wir auf dem richtigen Weg sind. Ob in Spanien oder Griechenland: Die Talsohle ist durchschritten. Zweitens erkenne ich ein erstaunlich hohes Maß an Übereinstimmung, dass eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erfolgen muss. Drittens gibt es eindeutige Signale, dass kurz nach dem Ende meiner BDA-Präsidentschaft der seit drei Jahren geführte Kampf für die Tarifeinheit – also den Grundsatz „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ – erfolgreich beendet wird. Das würde mich besonders freuen.