In modernen Autos steckt mehr Rechenleistung als in einer Mondrakete. Das bringt nicht nur mehr Komfort und Sicherheit, sondern auch neue Risiken. Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel fordert deshalb einheitliche Datenschutzstandards.

Stuttgart -

 
Nicht zuletzt im Hinblick auf das autonome Fahren werden Autos stärker mit der Umwelt vernetzt. Das bietet dem Fahrer Sicherheit und Komfort, birgt aber Risiken. Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel sagt, wie die Branche reagiert.
Herr Hoheisel, das Auto ist zum fahrenden Rechenzentrum geworden. Wie viele Daten werden überhaupt gesammelt?
Ich habe es nie aufaddiert. Fest steht aber: Ein modernes Auto sammelt deutlich mehr Daten als früher eine Mondrakete. Aktuell ist das Infotainment-System die größte Recheneinheit im Auto. Es hat eine Rechenleistung wie ein aktuelles Smartphone. Aber es gibt eine ganze Menge weiterer Geräte mit weniger Rechenleistung. Das reicht bis zum kleinen Sensor, der nur meldet, ob das Fenster offen oder zu ist.
Was passiert mit den Daten?
Wir brauchen die Informationen, weil ein Motorsteuergerät beispielsweise nur funktioniert, wenn ihm Daten wie Temperatur, Einspritzmenge oder Ansaugdruck zur Verfügung stehen. In einem Auto fließen permanent riesige Datenströme, die ausgewertet werden. Die meisten werden aber nicht gespeichert, da sie nur für einen kurzen Moment relevant sind.
Wo viele Daten sind, sind Hacker meist nicht weit. Haben Sie schon schlechte Erfahrungen gemacht?
Es gibt amerikanische Studien aus dem Jahr 2009, in denen von Manipulationen im Auto die Rede ist. Es gibt auch Berichte, dass Hacker über die Luftschnittstelle – also das Telefon – ältere Geräte im Auto manipuliert haben. Aber all dies fand unter klinischen Bedingungen mit hohem Aufwand statt.
Vielleicht wurde ja der elektronische Schleuderschutz ESP manipuliert.
Nein. Für viele wäre das die Horrorvorstellung. Aber ganz konkret: in modernen Autos kommunizieren alle Geräte über Netzwerke. Sollte die Kommunikation tatsächlich gestört sein, funktionieren die Geräte in einer Basisfunktion weiter. Sie können also weiterhin sicher lenken und bremsen.
Wie groß ist die Hackergefahr denn nun?
Prinzipiell kann man immer Schaden im Auto anrichten. Aber bis heute sind Autos noch nicht so stark mit der Umwelt vernetzt, dass wirklich ein akutes Problem besteht. Mir ist von einem echten Hackerangriff nichts bekannt. Das Risiko wird aber zunehmen. Wir öffnen die Autos ja gerade für das Internet. Gerade kommen erste Apps, die aber von den Autoherstellern ausgewählt und getestet werden. Auch gibt es erste Autos, in denen eine Google-Suche möglich ist. Bis jetzt wird aber alles von einem speziellen Rechner überwacht.
Aber . . .
. . . in naher Zukunft sollen die Autos ja wirklich in die Freiheit entlassen werden. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Wenn dann Hacker attackieren, muss alles, was zum sicheren Autofahren nötig ist, abgegrenzt sein.
Wie sieht das konkret aus?
Wir bei Bosch haben uns schon vor über zehn Jahren darüber Gedanken gemacht. Damals kamen Telefon und Navigationsgräte als erste Schnittstelle zur Außenwelt ins Auto. Unsere Lösung: eine sogenannte duale Architektur. Auf der einen Seite laufen die Prozesse, die das Autofahren an sich betreffen. Auf der anderen Seite läuft das Infotainment inklusive der Geräte, die der Fahrer von außen hineinträgt. Vor zwei Jahren haben wir zudem die Firma Escrypt erworben. Sie ist Weltspitze für Automotive-Verschlüsselungssysteme und hat uns attestiert, dass diese Systeme auch heute noch sicher sind.
Reichen die Schutzmaßnahmen damit aus?
Wohl nicht. Daher bauen wir eine Vielzahl weiterer Schutzmechanismen in die Autos, denn wir müssen sicherstellen, dass die Daten im Auto nicht manipuliert werden und so möglicherweise eine Fehlfunktion auslösen. So müssen sich etwa Geräte, die miteinander kommunizieren wollen, erst über einen digitalen Schlüssel identifizieren. Es gibt schließlich nicht nur das Einfallstor Telefon, sondern viele weitere wie etwa die Diagnoseschnittstelle.