Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Die FDP scheint sich aufzulösen. Sie hinterlässt ein liberales Vakuum. Das gibt es aber auch in der CDU, wie manche Ihrer Parteifreunde beklagen. Was tun Sie, um dieses Vakuum zu füllen?
Grundsätzlich glaube ich, dass wir eine liberale Partei in Deutschland brauchen. Die Impulse, die von der FDP ausgegangen sind, können andere Parteien nicht einfach übernehmen. Was die Wirtschaftspolitik betrifft, so treibt uns das sehr um. Wir haben im ersten Jahr der großen Koalition wichtige sozialpolitische Vorhaben umgesetzt. Jetzt müssen wir dringend etwas dafür tun, dass diese sozialen Leistungen künftig weiter finanziert werden können. Die Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen in die Infrastruktur rücken wir jetzt in den Vordergrund. Da wird die Union den Wirtschaftsminister antreiben, damit er nicht den Blick für die richtige Weichenstellung verliert.
Womit wollen Sie ihn treiben?
Wir werden etwa bei der Digitalen Agenda darauf schauen, dass wir den richtigen Schwerpunkt auf die Innovation legen und nicht nur auf die „Abwehr“ amerikanischer Großkonzerne. Statt der wiederholten Kritik an Google, die nichts ändert, sollten wir uns fragen, was wir tun müssen, damit der nächste große Internetkonzern in Europa entsteht.
Streben Sie auch bei Leiharbeit, Zeitarbeit und Werkverträgen eine Liberalisierung an?
Was im Koalitionsvertrag steht, werden wir umsetzen. Es geht eher um neue Ideen aus der SPD, bei denen wir darauf achten werden, dass sie der Wettbewerbsfähigkeit nicht schaden. Ich denke da an den Vorschlag der Arbeitsministerin Nahles, Sanktionen für jugendliche Hartz-IV-Empfänger abzuschaffen. Das wollen wir so nicht. Das gilt auch für den Vorstoß der Bauministerin Hendricks, wieder einen Heizkostenzuschuss einzuführen. Wir brauchen keine neuen Transferleistungen.
Die SPD denkt in Thüringen darüber nach, einem linken Ministerpräsidenten in den Sattel zu verhelfen. Welche alternativen Machtoptionen hat eigentlich die CDU? Ist Schwarz-Grün noch eine Perspektive – angesichts der Führungsschwäche und der Orientierungslosigkeit der Grünen im Bund?
Bei den Grünen gibt es verschiedene Entwicklungen. Wie der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann sich beim Asylrecht verhalten hat, verdient unseren Respekt. Er hat die Parteipolitik beiseitegelassen und einen pragmatischen Kompromiss gesucht, auch im Interesse seines eigenen Bundeslandes. Er hat bewiesen, dass er jenseits dogmatischer Ziele verantwortlich zu handeln weiß. Auf diese Weise ließen sich gemeinsame Projekte finden. Leider gibt es bei den Grünen auch andere Stimmen. Schwarz-Grün ist für uns kein Selbstzweck.

Kretschmann spricht in Baden-Württemberg ja auch CDU-Wähler an. Auf der anderen Seite ergeht es vielen ihrer Anhänger so wie Erwin Teufel: Sie fühlen sich in der CDU zunehmend heimatlos.
Die CDU bietet allen eine Heimat, die sich am christlichen Menschenbild orientieren, die die soziale Marktwirtschaft für den richtigen ordnungspolitischen Rahmen halten und die sich zu unserem Vaterland bekennen. Die Wahrheit ist aber, dass die CDU des Jahres 2014 nicht mehr die CDU von 1992 ist. Damals bin ich eingetreten. Es wird niemand ernsthaft erwarten, dass die CDU sich seit damals nicht in gleicher Weise verändert hat, wie sich auch unser Land ständig verändert. Eine moderne Volkspartei muss sich mit dem Land entwickeln. Wir dürfen nur nie vergessen, wo unsere Wurzeln liegen.
Zurück zur CDU von Helmut Kohl und Erwin Teufel wäre kein Erfolgsrezept?
Ich glaube, dass es kein Erfolgsrezept wäre, weil sich auch die Entwicklung unseres Landes nicht zurückdrehen lässt in jene Zeit. Kohl und Teufel haben in ihrer Zeit die Antworten gegeben, die es brauchte und die anders waren als die ihrer Vorgänger. Wir sind aufgerufen, die richtigen Antworten für heute zu geben. Wir richten den Blick nach vorne. Mit den Konzepten von gestern gewinnt man die Zukunft nicht.
Bei der Debatte über das Asylrecht im Bundesrat hat der Ministerpräsident aus Kiel gesagt, das Boot sei noch lange nicht voll. Wie viel Platz ist denn noch im Boot?
Der Ministerpräsident würde im Gespräch mit seinen Bürgermeistern hören, welche großen Probleme sie haben, Flüchtlinge unterzubringen und vor allem zu integrieren. Es reicht nicht, jemandem ein Bett aufzustellen. Es geht auch darum, dass das Zusammenleben in der Gemeinschaft funktioniert.
Sehen Sie da eine Grenze der Belastungsfähigkeit erreicht?
Ich glaube, es ist richtig, europaweit zu schauen, ob jeder das tut, was er tun kann.