Ein Gespräch mit dem Macher von stuttgartkotzt fördert Erstaunliches zutage: zum einen seinen Kampf gegen ein bigottes Verhältnis zum Alkohol. Zum anderen scheinen die Kids von heute in Sachen Absturzfotos ziemlich medienkompetent zu sein.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Noch eine Woche lang ist Wasen, noch eine Woche lang ist Stuttgart gespalten zwischen Feierlaune und schierer Ablehnung der dirndlbewehrten Volksfeststimmung. Der Tumblr stuttgartkotzt positioniert sich irgendwo dazwischen, wie sein Macher im StZ-Interview erklärt.

 

Er will lieber anonym bleiben, weil es nicht so gut kommen könnte, wenn Leute wie sein Chef wüssten, dass er einen Blog mit dem hinlänglich bekannten Bildmaterial (kotzende, pinkelnde, nahe der Bewusstlosigkeit besoffene Wasen-Besucher) betreibt.

Zunächst mal Glückwunsch, deine Seite ist diese Woche das Tischgespräch Nummer eins ...

„Ich gebe zu: Die Idee ist voll abgeschaut von münchenkotzt. Es hat mich gewundert, dass es das für Stuttgart noch nicht gibt, zumal das Münchner Original jetzt zur Wiesn-Zeit ja wieder aufgetaucht ist. Und da hab ich das einfach gemacht.“

Was ist das Statement deines Tumblrs?

„Der Tumblr ist gegen das bigotte Verständnis von Alkohol als Kulturgut: dass man zum einen sagt ‚Super, es ist Volksfest, wir feiern alle zusammen’ und dass es zum anderen in den Zelten um nichts anderes geht, als sich zuzuschütten. Die Party kommt nur dadurch, dass alle besoffen sind und nicht umgekehrt.“

Vermutlich hast du die ersten auf deinem Tumblr veröffentlichten Fotos selbst gemacht?

„Ja, und zwar allesamt vor 17 Uhr. Man sieht ja schon, wie die Leute rumliegen. Und das ist die Zeit, zu der Schulklassen oder Großeltern mit ihren Kindern unterwegs sind. Wenn ich so eine ‚Schnapsleiche’ fotografiere, fragen vorbeigehende Kinder ihre Eltern: ‚Warum schläft der Mann da auf dem Gehweg?’ Und die Eltern wissen es genau, und die Kinder ab einem gewissen Alter ebenfalls.

Man könnte auch sagen, dass deine Bilder die Gezeigten einfach nur der Lächerlichkeit preisgeben.

„Natürlich lachen viele die Leute aus, die da gezeigt werden. Es gibt aber eine zweite Ebene: Ich benutze die Leute und stelle sie bloß, um darauf hinzuweisen, dass nicht alles Volksfest ist – sondern dass es auch Schattenseiten gibt. Die Leute schlafen da ja nicht nur, es gibt auch Schlägereien in der Stadt, Schmutz in den Bahnen … Wenn man mal von der Stadtbahnhaltestelle Mercedesstraße bis zum Wasen geht, sammelt sich schon sehr viel Dreck an. So was findet man normalerweise nicht in der Zeitung, höchstens im Polizeibericht.“

Gibt es inzwischen auch Einreichungen?

„Ja, aber ich muss da genau prüfen, ob ich die verwerten kann. Da stellen sich vor allem zwei Fragen: Sind die Bilder wirklich vom Wasen und gehören den Einreichern auch die Bildrechte? Außerdem klappere ich Instagram und Tumblr ab, ob ich da was rebloggen kann.“

Und?

„Ich habe da nicht so viel gefunden. Die Medienkompetenz hat sich offenbar inzwischen entwickelt: Es scheint unter allen Nutzern solcher Dienste Konsens, dass man keine solchen Fotos vom Kumpel mehr hochlädt. Oder eben nur bei WhatsApp und Facebook in geschlossenen Gruppen zeigt.“

Da muss dein Tumblr die Welt also nicht besser machen. Was kann er stattdessen leisten?

„Vielleicht hilft er, den Leuten zu zeigen, dass sie sich nicht überall besoffen hinlegen sollen, weil Bilder davon jederzeit ins Netz kommen können. Andererseits: Wo kann man sich überhaupt noch richtig scheiße benehmen?”