Bis jetzt ist die Stromerzeugung ihre wichtigste Erlös- und Ertragsquelle. Deren Bedeutung wird aber massiv schwinden. Wie wollen Sie das ausgleichen?
Wenn wir schnell genug sind im Wandel des Geschäftsmodells, dann können wir das hinkriegen. Drei Säulen sollen deutlich an Bedeutung gewinnen: erneuerbare dezentrale Erzeugung, der Ausbau von Übertragungs- und Verteilnetzen und energienahe Dienstleistungen nahe am Kunden. Letzteres ist möglicherweise der schwierigste Teil, denn es geht darum, das sehr individuelle Kundengeschäft in signifikante Größenordnungen zu bringen.
Sie haben 20 000 Mitarbeiter. Davon arbeiten etwa drei Viertel im technischen Bereich. Passt das zum neuen Geschäftsmodell?
Wir werden auch künftig viele und hochqualifizierte technische Mitarbeiter für den Kraftwerks- und Netzbetrieb benötigen. Aber im Dienstleistungsgeschäft, das ja an Bedeutung gewinnen soll, brauchen wir andere Kompetenzen. Dabei geht es vor allem um vertriebliche Fähigkeiten und die Fähigkeit, das Geschäft vom Kunden her zu denken.
Können Sie die bestehende Belegschaft umschulen oder drohen mittelfristig doch Entlassungen?
Im Rahmen des Effizienzprogramms Fokus bauen wir sozialverträglich etwa 1300 Stellen ab. Gleichzeitig arbeiten wir am Aufbau neuer Kompetenzen und Kapazitäten in unseren Wachstumsgeschäften. Dazu gehören auch Umschulungen und Veränderungen im Einsatzfeld der Mitarbeiter. Damit stoßen wir vielfach auf großes Interesse.
Als wichtige Kunden definieren Sie unter anderem die Kommunen. Dort gilt die EnBW aber nicht selten als arrogant. Was tun Sie gegen diesen Ruf?
Wir wollen den Kommunen auf Augenhöhe begegnen. Ich selbst, aber auch meine Kollegen im Vorstand waren deshalb in den vergangenen Monaten zu Dutzenden Gesprächen im Land unterwegs. Erst kürzlich haben wir zudem in einem Brief an 730 Bürgermeister angekündigt, dass wir im Herbst in einen verstärkten Dialog eintreten wollen. Wir wollen präsenter und flexibler werden in unseren Angeboten und den Formen der Zusammenarbeit. Wir haben ein klares Bekenntnis abgegeben, jetzt müssen wir liefern, und dabei sind wir gerade.
In letzter Zeit sind Stadtwerkeneugründungen stark in Mode gekommen. Führend dabei ist Baden-Württemberg. Wie bedrohlich ist das für die EnBW?
Wir nehmen das ernst und setzen darauf, dass wir mit unserer Erfahrung, Kompetenz und Partnerschaftlichkeit überzeugen und Stadtwerke unterstützen können– zum Beispiel beim Betrieb von Netzen. Andere Aufgaben kann eine Kommune selbst vielleicht besser erledigen. Ich denke, partnerschaftlichen Modellen gehört die Zukunft.
Eines der neuen Stadtwerke sitzt in Stuttgart, wo es nun um die Konzessionsvergabe des Stromnetzes geht. Wie wichtig ist die Entscheidung für den Konzern?
Sehr wichtig. Wir haben sehr viel zu bieten, denke ich, und Stuttgart ist für uns als Landeshauptstadt natürlich von ganz besonderer Bedeutung. Wir werden für und um Stuttgart kämpfen.
Inwieweit kann die EnBW der Zukunft damit rechnen, die Margen aus alten Zeiten wieder zu erreichen?
Es ist ganz normal, dass die Rendite sinkt, wenn ein früherer Oligopolbereich zunehmend dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Wir müssen natürlich unsere Finanzierungs-kosten plus einen Aufschlag verdienen, um noch etwas an die Aktionäre ausschütten zu können. Wir glauben, dass das möglich ist. Aber natürlich ist die wirtschaftliche Anspannung angesichts des extrem schwierigen Umfelds in der Energiewirtschaft sehr hoch.
Ist das auch den Eigentümern klar?
Die Eigner sind für uns ein Glücksfall, weil sie eine langfristige Strategieentwicklung mitgehen und die Notwendigkeit des Wandels der EnBW unterstützen, der einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Zugleich ist das Management auch der Lieferung der kurzfristigen Ziele hoch verpflichtet.
Sie leben auch persönlich die Verbindung zum Land: Anders als Ihre beiden Vorgänger sind Sie mit Ihrer Familie hierhergezogen.
Man muss auch am Samstag über den Markt gehen und mit den Leuten reden, die möglicherweise Kunden der EnBW sind oder es idealerweise werden sollten. Meine Familie wohnt seit Beginn des Schuljahres in Karlsruhe, und wir sind allesamt froh, wieder zusammen zu sein. Meine beiden jüngeren Kinder gehen dort zur Schule, mein ältester Sohn startet im Oktober sein Studium an der Universität Tübingen.
Für die EnBW spielt Sponsoring traditionell eine große Rolle. Wie geht es damit weiter?
Man wird uns auch weiterhin an zahlreichen Stellen als Sponsor erleben. Aber es ist natürlich immer eine Frage des wirtschaftlichen Vermögens, wie hoch Sponsoringbeträge ausfallen können.
Werden Sie auch weiter den Spitzensport unterstützen?
Wir setzen auf den Breitensport – das entspricht mehr unserem Selbstverständnis.
Unter Ihrer Regie wird man also nichts Vergleichbares erleben wie das Ersteigern des Torwartzettels von Jens Lehmann nach der WM von 2006?
(lacht ) Das ist sehr unwahrscheinlich.