Der VfB-Manager Fredi Bobic spricht über den aktuellen Stuttgarter Abstiegskampf und darüber, welche Rolle er dabei spielt.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Fredi Bobic hat sich in dieser Woche eine Auszeit vom nervenaufreibenden Alltag in der Fußball-Bundesliga genommen. Der Manager des VfB Stuttgart war im internationalen Einsatz - als Beobachter von Spielern in der Champions und Europa League. Nun richtet sich der Blick des 39-Jährigen aber wieder ganz auf den Abstiegskampf in der Liga und auf das bedeutungsvolle Heimspiel am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg.

 

Herr Bobic, Bruno Labbadia und Sie wirken wie ein amerikanisches Ermittlerduo aus dem Fernsehen. Der Trainer ist der gute Cop und lobt die Mannschaft nach einem Sieg wie gegen den FC St. Pauli. Sie sind der böse Cop und kritisieren das Team. Eine abgesprochene Rollenverteilung?

Zunächst einmal steht fast, dass wir beide ganz genau gleich glücklich über den Sieg gegen St. Pauli sind. Klar ist auch, dass wir viel miteinander reden und abstimmen.

Auch die unterschiedlichen Rollen?

Also, nach einem Drehbuch läuft das bei uns nicht ab. Sowohl der Trainer als auch ich haben eine ganz persönliche Herangehensweise, ein Spiel zu interpretieren. Der Trainer hat sehr gute Gründe nach so einem Spiel, die positiven Dinge anzusprechen, und ich genauso gute Gründe, auf Nachlässigkeiten hinzuweisen.

Spielen Sie auch deshalb den Mahner, weil der 13. Tabellenplatz des VfB gerade so etwas wie Sicherheit vorgaukeln könnte?

In der Tat halte ich es in unserer Situation für ein Muss, deutlich zu sagen: Hey Leute, wir haben es noch lange nicht geschafft, wir haben noch einen verdammt langen und steinigen Weg vor uns. Es kann auch wieder einen Rückschlag geben. Das muss man einfach sehen, zumal ja alle Mannschaften hinten verdammt eng beisammen liegen. Ich will aber nichts schlechtreden, sondern nur den Ist-Zustand beschreiben. Und dazu gehört auch, dass wir mit Selbstvertrauen in die kommenden Aufgaben gehen können.

Am Sonntag kommt der VfL Wolfsburg, der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Felix Magath zurückgeholt hat. Wäre es Ihnen lieber, wenn Pierre Littbarski noch auf der gegnerischen Bank sitzen würde?

Nicht unbedingt. Schließlich haben die Wolfsburger zuletzt auch sehr viel Pech gehabt. Aber es darf für unsere Mannschaft auch keine Rolle spielen, wer Wolfsburger Trainer ist.

Ständige Trainerwechsel, viele sportliche Überraschungen - wir erleben eine außergewöhnliche Saison. Aber auch für Sie persönlich dürfte diese Spielzeit eine Ausnahmestellung einnehmen. So aufregend war es in Ihrer Fußballerlaufbahn vermutlich noch nie.

Als Spieler habe ich am Ende meiner Karriere auch das eine oder andere Mal gegen den Abstieg gekämpft. Das nimmt man schon mal anders wahr als ein junger Spieler. In verantwortlicher Position als Manager hat das aber noch eine ganz andere Dimension. Keine Frage, diese Saison ist wirklich sehr aufreibend.

Aus einer sehr aufreibenden Saison kann man aber vermutlich mehr wichtige Lehren ziehen als aus einer Spielzeit, die ganz unspektakulär im gesicherten Mittelfeld heruntergespult wird.

Das stimmt.

Wie lauten die wichtigsten Rückschlüsse?

Es wäre jetzt ein denkbar schlechter Moment, über diese Dinge zu reden. Natürlich haben wir unsere Vorstellungen, was wir ändern werden. Die müssen wir nach der Saison umsetzen und dann auch nach außen transportieren.

Muss die Scouting-Abteilung neu aufgestellt werden?

Jetzt belassen wir es doch einfach dabei. Es gibt einige Bereiche, die überprüft werden müssen...

Sollten Sie in den Vorstand berufen...

Ich fühle mich in meiner jetzigen Position sehr wohl. Und noch mal: Themen wie diese besprechen wir wenn dann intern und nicht über die Zeitung.

Auch wenn der Klassenverbleib geschafft wird - muss nicht zwingend ein personeller Schnitt innerhalb der Mannschaft gemacht werden?

Wenn wir nicht absteigen, haben wir gerade einmal das absolute Minimum erreicht. Dann können wir alle einmal durchpusten. Und danach wird es Veränderungen geben, aber die gibt es fast in jeder Mannschaft.

Verraten Sie, ob Sie hoffen, dass Erwin Staudt nach der nächsten Mitgliederversammlung weiterhin VfB-Präsident ist?

Was ich denke, hoffe oder wünsche, steht doch auf einem ganz anderen Blatt. Entscheidend ist die Person Erwin Staudt und die Frage, ob er weitermachen möchte.

Dann reden wir doch einfach wieder über Sie. Persönlich erleben Sie auch eine Saison der Extreme, abzulesen an den Transfers. Auf der einen Seite steht der Fehlgriff Mauro Camoranesi auf der anderen der Volltreffer Tamás Hajnal.

Gut, dass Sie dieses Thema ansprechen. Dann kann ich endlich mal auf das Gerücht eingehen, Mauro Camoranesi sei ein großes Verlustgeschäft für den VfB gewesen. Das stimmt nicht. Er war ablösefrei und hatte mit seinem Gehalt keinen Spitzenplatz im Team. Sportlich, das stimmt, hat es nicht gepasst. Er ist aber gegangen wie ein Gentleman, wollte keine Abfindung. Das hat mir imponiert. Die Medienberichte über ihn allerdings weniger. Das war teilweise eine Frechheit.

Warum?

Weil es Mauro gegenüber hochgradig unfair war, ihn ständig in Zusammenhang mit dem Wechsel von Sebastian Rudy nach Hoffenheim zu bringen.

Es ist vermutlich das falsche Zeichen gewesen, ein eigenes Talent abzugeben und dann gleich im Anschluss einen 34-Jährigen zu verpflichten.

Das eine hatte doch überhaupt nichts mit dem anderen zu tun. Camoranesi ist doch nicht für Rudy gekommen. Mauro ist ein völlig anderer Spielertyp, der leider in der Bundesliga nicht wie erhofft zurechtgekommen ist. In der Europa League hat er fünf Spiele von Anfang an gemacht, und die waren absolut in Ordnung. Und eines ist auch klar: Camoranesi ist sicher nicht das Problem des VfB gewesen. Das Problem war, dass die ganze Mannschaft keine Leistung gebracht hat.

Das positive Kontrastprogramm ist trotzdem bei den Wintereinkäufen Tamás Hajnal und Shinji Okazaki zu beobachten. Wie viel Glück war da im Spiel?

Bei Shinji Okazaki waren wir uns sicher, dass es passt. Wir haben ihn sehr lange beobachtet und waren bestens über ihn informiert. Bei Tamás Hajnal sind wir ins Risiko gegangen. Wir wussten zwar, dass er charakterlich absolut top ist und kicken kann. Dass er aber ohne Spielpraxis die Aufgabe so annimmt, ist für uns tatsächlich auch ein Glücksfall. Wir haben auf einen ganz neuen Impuls gehofft, und den hat er gegeben.

Ein Sieg gegen Wolfsburg wäre auch ein ganz wichtiger Impuls.

Stimmt, aber eines habe ich bereits gelernt: von Siegen können wir in dieser Saison vor einer Partie nie ausgehen.

Zur Person: Fredi Bobic

Fußballer: Als Profi ist Fredi Bobic (38) viel rumgekommen. Zwischen 1990 und 2006 hießen die Vereine des Stürmers TSF Ditzingen, Stuttgarter Kickers, VfB Stuttgart, Borussia Dortmund, Bolton Wanderers, Hannover 96, Hertha BSC und HNK Rijeka. Ein Höhepunkt seiner Karriere war der DFB-Pokalsieg mit dem VfB 1997. Ein Jahr zuvor gewann er mit dem Nationalteam den EM-Titel. In 37 Länderspielen hat er zehn Tore erzielt.

 Manager: Seit Juli 2010 ist Fredi Bobic Manager des VfB Stuttgart. Zuvor arbeitete er als Geschäftsführer beim bulgarischen Erstligisten Chernomorets Burgas an der Seite des Trainers Krassimir Balakov. Der im slowenischen Maribor geborene Bobic wohnt – wie es sich für einen echten VfBler gehört – in Bad Cannstatt, wo er auch schon aufgewachsen ist. Fredi Bobic ist verheiratet und hat zwei Töchter.