Exklusiv Der CDU-Wirtschaftsrat Kurt Lauk übt massive Kritik am Koalitionsvertrag. Im StZ-Interview wirft er Bundeskanzlerin Angela Merkel schwere Fehler vor.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - „Wesentliche Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft sind verloren gegangen“, beklagt Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrats. Sein Urteil über das Regierungsprogramm, das Kanzlerin Angela Merkel mit der SPD ausverhandelt hat, ist vernichtend.

 
Herr Lauk, heute entscheidet die CDU-Spitze über den Koalitionsvertrag. Wie groß ist Ihre Begeisterung?
Das ist ja eher eine Informationsveranstaltung. Es gibt keine Anträge, den Koalitionsvertrag zu verändern. Der Vertrag muss als Paket gesehen werden. Die Bestandteile dieses Pakets sind unterschiedlich zu bewerten. Der Verzicht auf Steuererhöhungen ist gut. Neue Schulden auszuschließen, ist auch gut.
Und wo sehen Sie Mängel?
Das Thema Wirtschaft ist völlig unterbelichtet. Es ist mittlerweile ja so: Wer sich zur Wertschöpfung bekannt, ist nicht populär. Wer sich zur Verteilung bekennt, ist beliebt. Das war ganz offenbar auch die Leitlinie für diesen Vertrag.
Was gefällt Ihnen darüber hinaus nicht?
Wesentliche Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, wofür die CDU immer gestanden hat, sind verloren gegangen. Die katastrophale Planwirtschaft in der Energiepolitik wird fortgesetzt. Es findet eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik statt, die Flexibilität mindert. Das Wirtschaften wird durch staatliche Eingriffe und Regulierungen erschwert.
Wie stark ist Ihr Vertrauen in das Versprechen, die komplette Legislaturperiode ohne Steuererhöhungen und neue Schulden auszukommen?
Ich gehe fest davon aus, dass dieses Wort, das führende CDU-Politiker mehrfach gegeben haben, bis 2017 Bestand hat.
Die CDU hatte im Wahlkampf stark für das Ziel geworben, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter zu stärken. Was spricht dafür, dass dies mit dem schwarzroten Koalitionsvertrag gelingt?
Wenig. Der Koalitionsvertrag räumt der Vergangenheit Vorrang vor der Zukunft ein. Anders gesagt: Es gilt das Prinzip Mütterrente statt Investitionen.
Was haben Sie gegen eine aufgebesserte Mütterrente?
Natürlich ist die willkürliche Grenze, Kinder ab dem Geburtsjahr 1992 rentenrechtlich besser zu bewerten als früher geborene Kinder, nicht gerecht. Deshalb gibt es den moralischen Imperativ, das zu ändern. Es gibt aber auch einen moralischen Imperativ, für die Zukunft des Landes und unsere nächsten Generationen zu investieren. Diese beiden Imperative stehen sich entgegen – und man hat sich für die Vergangenheit entschieden, nicht für die Zukunft, nicht für die Jugend.
Mit welchen Folgen?
Es mangelt eklatant an Investitionen. Unser Land lebt von der Substanz. Das ist ein schleichender Prozess. Deshalb geht die Bevölkerung nicht auf die Barrikaden. Sie spürt nur peu a peu, was es bedeutet, von der Substanz zu leben.