Das kleine Fürstentum Liechtenstein galt lange als Steueroase. Ministerpräsident Adrian Hasler betont, dass diese Zeiten längst der Vergangenheit angehören.

Stuttgart - Liechtensteins Regierungschef Adrian Hasler sieht mit großer Sorge, dass die EU nicht in der Lage ist die drängenden Probleme zügig zu lösen. Verantwortlich dafür sei auch, dass Brüssel versuche, zu viel zu regulieren. „Ein Weg wäre, dass die EU wieder vermehrt Kompetenzen an die einzelnen Staaten abgibt“, sagt Hasler.

 
Herr Regierungschef, mit den sogenannten „Panama Papers“ wurde vor einigen Wochen das zweifelhafte Finanzgebaren in einem mittelamerikanischen Staat offengelegt. Auch Liechtenstein hat den Ruf, Leute anzuziehen, die ihr Geld verschwiegen anlegen wollen. Fürchten Sie, dass irgendwann „Liechtenstein Papers“ ans Licht kommen?
Da habe ich keine Sorge. Liechtenstein hat sich bereits 2008 zur Steuerkonformität verpflichtet. Das heißt: wir haben den Finanzplatz neu ausgerichtet. Wir haben uns auch frühzeitig zum automatischen Informationsaustausch bekannt. Im Herbst 2017 werden wir erstmals Kontodaten mit den EU-Mitgliedsstaaten auszutauschen – also auch mit den deutschen Finanzämtern. In den letzten Jahren wurden sehr viele Kunden von unseren Finanzintermediären zur Steuerehrlichkeit hingeführt. Das zeigt, dass wir haben unsere Hausaufgaben gemacht haben.
Hat das zu größeren Gewinn-Einbrüchen in ihren Geldhäusern geführt?
Man muss den Bankenplatz und die Treuhandbranche unterscheiden. Unsere Banken verwalten heute bereits wieder mehr Kundenvermögen als im Jahr 2008. Wir sprechen hier über eine Summe von 216 Milliarden Schweizer Franken. Der zweite Bereich ist die Treuhand-Branche. Da haben wir seit etlichen Jahren einen stetigen Rückgang bei den klassischen Stiftungen, die in den vergangenen Jahren auch dafür benutzt wurden, Gelder nicht zu versteuern.
Genau das sind doch die Modelle zur Finanzverschleierung, um die es in den „Panama Papers“ geht.
Das ist Vergangenheit. In Liechtenstein wurden viele Stiftungen gelöscht, weil die Kunden ihr Vermögen offengelegt haben. Jetzt arbeiten unsere Finanzintermediäre an der Zukunft. Es gibt vermögende Kunden, die komplexe internationale steuerliche Fragestellungen haben. Für diese Kunden können z.B. Stiftungen das richtige und völlig legale Mittel sein. Da geht es oft um den Schutz der Privatsphäre oder auch die Nachfolgeplanung. Hier werden unsere Finanzintermediäre weiter ihr großes Know-how im internationalen Steuerrecht anbieten.
In Liechtenstein ist die Zahl der Verdachtsfälle von Geldwäsche in letzter Zeit deutlich gestiegen. Heißt das nicht, dass ihr Land für die schwarzen Schafe der Finanzwelt äußerst attraktiv bleibt?
Ganz im Gegenteil. Die höhere Zahl von Verdachtsmitteilungen zeigt vor allem, dass unser Kontrollsystem gut funktioniert. Wenn der Verdacht aufkommt, dass Gelder nicht sauber sind, macht der Finanzintermediär eine Meldung an die Financial Intelligence Unit (FIU). Unsere Unternehmen sind in diesen Fragen sensibler als früher, deshalb melden sie auch rascher Verdachtsfälle. Sie wollen nicht das Risiko tragen, plötzlich in kriminelle Machenschaften verstrickt zu werden. Diese Sensibilität zeigt sich auch daran, dass anteilsmäßig weniger Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden.
Liechtenstein ist zwar kein Mitglied der Europäischen Union, aber trotzdem ganz eng mit ihr verbunden. Wie sehr fürchten Sie um den Fortbestand der EU, in der die Fliehkräfte immer stärker werden?
Wir haben ganz bewusst die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gewählt und nicht den Beitritt zur EU. Eine Vollmitgliedschaft könnten wir mit unseren begrenzten Personalressourcen gar nicht stemmen. Als EWR-Mitglied sind wir aber wie Island und Norwegen verpflichtet, die europäischen Regelungen zu übernehmen. Das ist gut, denn unsere Unternehmen – und damit meine ich nicht nur die Banken – sind auf den Marktzugang zur EU angewiesen. Deshalb sehen wir allerdings auch mit Sorge, dass die EU nicht in der Lage ist, in zentralen Fragen, die nicht von den einzelnen Staaten allein gelöst werden können, eine gemeinsame Politik zu betreiben.
Welches sind für Sie die zentralen Probleme?
Ganz klar die Flüchtlingsthematik. Dieses Problem muss die Europäische Union gemeinschaftlich lösen. Aber die Ansichten, wie die Lösung auszusehen hat, gehen sehr weit auseinander und die Nationalstaaten versuchen deshalb, nationale Lösungen umzusetzen.
Wie Österreich, das androht, seine Grenze zu Italien dicht zu machen.
Ich habe ein gewisses Verständnis für Österreich, weil die EU nicht in der Lage ist, rasch eine vernünftige Lösung umzusetzen. Österreich ist praktisch gezwungen, eigenständige Maßnahmen umzusetzen.
Hat Liechtenstein selbst ein Flüchtlingsproblem?
Die Zahl der Asylsuchenden hat sich bei uns gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Auch wenn die absoluten Zahlen relativ klein sind, muss man diese im Verhältnis zur Anzahl der Einwohner sehen. Allerdings werden in Liechtenstein nur wenig Asylgesuche von Personen aus den aktuellen Krisenregionen wie Syrien gestellt, sondern hauptsächlich von Menschen aus dem Westbalkan, zum Teil auch aus anderen sicheren Herkunftsstaaten.
Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass die EU auseinanderbricht?
Das hoffe ich natürlich nicht. Ich hoffe, dass die EU einen Weg findet, ihre Probleme zu lösen. Ein Weg dorthin wäre, dass die EU wieder vermehrt Kompetenzen an die einzelnen Staaten abgibt. Es gibt viele Bereiche, in denen Brüssel zu viel reguliert. Nur ein Beispiel: Die letzte Finanzmarktkrise hat dazu geführt, dass Banken und Versicherungen extrem stark reguliert wurden. Dabei wurde der Fokus primär auf die Risiken internationaler Konzerne gelegt. Man hat dabei aber vergessen, dass es sehr viele kleine und mittlere Unternehmen gibt, wie Sparkassen und Privatbanken. Diese arbeiten nicht mit denselben Risiken wie die Großen, müssen aber dieselben Regeln mit einem unglaublichen bürokratischen Aufwand umsetzten. Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Ich wünsche mir größenverträgliche Lösungen, welche die Wettbewerbsfähigkeit Europas fördern.