In einem Interview verglichen Sie kürzlich Northups Buch mit dem „Tagebuch der Anne Frank“. Welche Parallelen ziehen Sie?
Zunächst einmal vor allem die offensichtliche: beides sind Erfahrungsberichte aus erster Hand, von Menschen in außergewöhnlichen, tragischen Umständen. Das Interessante und Bedenkenswerte an diesem Vergleich ist allerdings, dass jeder Anne Franks Geschichte kennt, Solomon Northups dagegen niemand. Dabei war sein Buch, als es 1853 erschien, ein Bestseller. Nur kam zur gleichen Zeit „Onkel Toms Hütte“ heraus. Irgendwie wurde aus dem gefälligeren Buch der Anti-Sklaverei-Klassiker, das andere geriet in Vergessenheit.
Wo wir mit Anne Frank gerade das Thema Holocaust angeschnitten haben: wie erklären Sie sich, dass es darüber einen Film nach dem anderen gibt, die Sklaverei aber viel zu selten Thema im Kino ist?
Tatsächlich gibt es wohl, je nachdem wie man zählt, nur 20 Kinofilme über die Sklaverei. Das hat sicherlich viel mit Scham zu tun, mit Schuldgefühlen und Angst. Sie dürfen nicht vergessen, dass es die Sklaverei in den USA mehr als 200 Jahre lang gab. Der Zweite Weltkrieg dauerte fünf Jahre. Das sind andere Dimensionen, für die sich eine Nation verantworten muss. Wir sprechen hier von einem der düstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte, da leuchtet es mir schon ein, dass viele das lieber verdrängen statt Filme darüber zu drehen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass man sich immer wieder damit auseinandersetzen muss, wenn so etwas wirklich bewältigen und sich Richtung Zukunft bewegen will.
Was ist als Brite Ihr persönlicher Bezug zum Thema Sklaverei?
Das ist Teil meiner Familiengeschichte, einige meiner Vorfahren waren Sklaven. Auch deswegen musste ich diesen Film drehen. Ich habe mich stets dafür geschämt, aber das Thema gehört bei uns in der Familie immer dazu. Wenn mich Journalisten fragen, wann ich als Kind zum ersten Mal davon gehört habe, kann ich nie eine Antwort geben, denn ich erinnere mich nicht. Das ist, als würden sie mich fragen, wann ich zum ersten Mal meinen Namen gehört habe. Für mich war Sklaverei immer Teil des Alltags. Diese Erfahrung geht an einem kleinen schwarzen Jungen nicht spurlos vorbei.
Über „12 Years a Slave“ kann man nicht sprechen, ohne Ihre zahlreichen talentierten Mitstreiter zu erwähnen. Etwa Brad Pitt, der den Film auch produziert hat. Wann kam seine Firma ins Spiel?
Das war sehr früh, noch bevor es das Projekt tatsächlich gab. Kontaktiert haben Brad und seine Leute mich schon nach „Hunger“. Sie wollten gerne mit mir arbeiten und waren wirklich hartnäckig. Die Zusammenarbeit verlief sehr entspannt und angenehm. Brad drehte gerade „World War Z“, als ich ihn traf. Er ist ein toller Schauspieler, aber auch ein genauso guter Produzent. Und vor allem ein echter Cineast. Da konnte gar nicht viel schief gehen.
Und wie kamen Sie zu Ihrem Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor?
Wir kannten uns nicht, aber ich hatte ihn ein paar Mal in britischen TV-Produktionen gesehen. Für mich war er der einzige, der in Frage kam. Er strahlt eine Würde und Menschlichkeit aus, wie man sie nicht alle Tage bei einem Schauspieler sieht. Darin erinnert er mich an Sidney Poitier oder Harry Belafonte. Genau das suchte ich für Solomon, denn mit dieser einzigartigen Ausstrahlung sollte Chiwetel inmitten des Horrors der Sklaverei noch Hoffnung repräsentieren.
Im Gegensatz zu Michael Fassbender, den Sie als Antagonisten besetzt haben. In Ihrem dritten Film hatten Sie zum dritten Mal eine Rolle für ihn. Werden Sie je ohne ihn drehen?
Es ist für mich auf jeden Fall keine Selbstverständlichkeit, dass Michael in meinen Filmen dabei ist. Mir ist schon klar, dass ich ihm ein starkes Drehbuch anbieten muss, damit er zusagt. Natürlich verbindet uns viel, wir arbeiten unglaublich gut zusammen. Aber das ist letztlich wie mit seinem Lebensgefährten. Den sollte man auch nicht als gegeben betrachten!