Die SDR- Reportagereihe „Zeichen der Zeit“, für die Sie oft im Einsatz waren, erscheint aus heutiger Sicht extrem meinungsfreudig.
Es ist die Aufgabe von Journalisten, klar Stellung zu beziehen! Nehmen wir an, ich filme auf einer Vernissage und habe den Eindruck, da treiben sich nur blasierte Arschlöcher rum, dann muss ich diese Leute eben so zeigen, wie sie sind. Dokumentationen sind heutzutage häufig neutral, weil sich die Redaktionen nicht mehr trauen, eine Meinung zu vertreten. Wir bekamen früher begeisterte Zustimmung und wütende Ablehnung von den Zuschauern – für ein und denselben Film. Diese Polarisierung empfanden wir als Bestätigung dafür, dass wir unsere Arbeit richtig machen.
Der Tübinger Professor Walter Jens nannte Ihre Filme „Meisterwerke der visuellen Rhetorik“. Was zeichnet Ihren Stil aus?
Anfang der 50er Jahre habe ich bei der Neuen Deutschen Wochenschau gelernt, mit wenig Aufwand schnell zu filmen. Ich begann früh damit, aus der Hand zu drehen und mit wenig Licht. Es ging mir darum, dass ich die Dinge nicht nur von außen betrachte, sondern quasi in sie hineinschlüpfe. Beim Bau des Stuttgarter Fernsehturms drehte ich frei auf einem Gerüst balancierend, ich filmte, als ich an einem Fallschirm hing oder auf dem Rücken eines Elefanten.
Sie haben neben Hunderten von Reportagen auch Fernseh- und Spielfilme gedreht. Welches Genre ist Ihnen lieber?
Dokumentarfilm ist wie eine Jagd im Wald, beim Spielfilm legt man dagegen auf einem Schießstand an. Treffen muss man zwar immer, aber unter völlig anderen Umständen. Wenn ich mich hätte entscheiden müssen, hätte ich die aktuelle Reportage bevorzugt. Ich mag das wahre Leben.
Gleichwohl bekamen Sie gleich für Ihren ersten Spielfilm den Deutschen Filmpreis .
Bei den Dreharbeiten zu „Malatesta“ habe ich von meiner Erfahrung als Dokumentarfilmer profitiert. Der Regisseur Peter Lilienthal ließ viel improvisieren, ich wusste oft nicht, wo im nächsten Moment welcher Schauspieler hinläuft. Ähnlich war es bei „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“: Mit Laiendarstellern zu drehen ist immer schwierig und mit jugendlichen Laien am allerschwierigsten. Für diese Aufgabe erschien ich als jemand, der mit der Kamera spontan reagieren kann, als der geeignete Mann.
In Ihrem Metier trafen Sie vermutlich auf viele selbstgefällige Menschen.
Sicherlich gab es ein paar Schauspieler und Regisseure, die mir furchtbar auf den Keks gegangen sind. Mit Werner Schumacher, der im „Tatort“ die Rolle des Kommissars Lutz spielte, wurde ich niemals recht warm. Aber ich habe meine Arbeit wie ein Arzt erledigt: Ich operierte immer so gut ich konnte, unabhängig davon, ob ich die Menschen vor mir mochte oder nicht. Manchmal erlebte ich positive Überraschungen. Curd Jürgens, der in einer „Tatort“-Folge einen reichen Mörder vom Killesberg spielte, eilte der Ruf eines arroganten Playboys und High-Society-Schnösels voraus. Doch dann lernte ich ihn als freundlichen, geduldigen und ideenreichen Mann kennen. Jürgens war zu Recht ein Star, ein echter Könner. Heutzutage ist Til Schweiger ein Star, obwohl er nicht mal deutlich sprechen kann.
Sie haben auch mit Monty Python gearbeitet. Wie kamen Sie an die britischen Komiker?
Durch Alfred Biolek! Biolek kannte ich aus dem Lokal Der kleine Termin im Gerichtsviertel, wo sich Stuttgarts Kulturschaffende trafen – Journalisten, Schauspieler, die Verleger Hatje und Cantz, der Maler Baumeister, der Bildhauer Hajek. Biolek war damals Rechtsanwalt. Dann ist er seinem wahren Talent gefolgt, er ist ja ein begnadeter Entertainer, und zur Bavaria gegangen. Eines Tages rief er mich an: „Ich krieg die Monty Pythons, und ich brauche dich als Kameramann.“ Der Kopf der Truppe, John Cleese, der später durch „Ein Fisch namens Wanda“ weltberühmt wurde, gehört zu den Schauspielern, die mich stark beeindruckten. Ein lustiger, aber höchst präzise arbeitender Kerl. Mir ließ er beim Dreh völlig freie Hand.