Großes Kino am Wilhelmsplatz: Seit Mitte September dreht der Stuttgarter Regisseur Michael Baumann dort in einer Imbissbude seinen Film „Habib Rhapsody“. Die Migranten-Geschichte soll nächstes Jahr in die Kinos kommen.

Stuttgart - Eine schäbige Bretterbude, ringsherum Abfall en masse - für Fans von Let's Putz muss der Wihelmsplatz derzeit das pure Grauen sein. Garantiert gingen auch schon ein paar panische Anrufe bei der Stadt ein. „Ja wird der Müll he nemme abg'holt, Herrgottsackzement?“ Man kann es sich bildlich vorstellen.

 

Etwas heran zoomen schafft schnell Aufklärung: „Dies ist ein Filmset. Bitte nicht anfassen und bitte nichts mitnehmen!“ Seit Mitte September dreht der Stuttgarter Regisseur Michael Baumann am Wilhelmsplatz den Kinofilm „Habib Rhapsody“. Im Zentrum der Geschichte steht „Habibs Imbiss“, die eingangs erwähnte Bretterbude. Der Film erzählt die Geschichte von vier Männern verschiedener Nationalitäten und verschiedenen Alters, ihren Lebenslügen und der Kunst ehrlich zu sich selbst zu sein.

Regisseur Michael Baumann und Produzent Arek Gielnik verrieten Stadtkind weitere Hintergründe zum Film, der im Herbst 2013 in die Kinos kommen soll.

Wie kam es zu der Idee von Habib Rhapsody?

Michael Baumann: Das Fremde ist anziehend und verlockend. Ich habe immer in Gegenden gewohnt, wo auch Migranten türkischer Herkunft lebten. Das Fremde lag also vor der Haustür, schien selbstverständlich - war es aber eigentlich nicht. Denn was ich darüber wußte, las ich aus Zeitungen.

Am Anfang eines Filmes ist man gut beraten wenn man sich ein Sujet sucht, über das man selbst etwas zu erzählen weiß, zum anderen aber auch etwas beizumischen, was einem fremd ist, was einen neugierig macht und über das man durch Recherche noch mehr herausfinden will. So kam die Idee etwas über türkische Migranten zu erzählen. Aber auf eine selbstverständliche Art: also Geschichten um Menschen an einem Platz.

Mein Thema für diesen Film ist "der blinde Fleck" - also dunkle Stellen in unseren Biografien: verdrängte Sehnsüchte, faule Kompromisse, ungelöste Probleme oder einfach der Verrat an sich selbst.

Das war unser Sujet, das uns über die zweijährige Entwicklungszeit des Drehbuchs lenkte. Um ein deutlicheres Kontrastfeld zu zeichnen, beschlossen wir uns auf Männer zu beschränken, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch bei genauerer Betrachtung immer mehr Ähnlichkeiten aufweisen. Damit wollten wir allgemein etwas über Männer und deren Rollemuster erzählen.

Welche Bedeutung hat der Wilhelmsplatz – warum wird gerade hier gedreht?

Michael Baumann: Ich habe mir sehr viele Plätze in Stuttgart angesehen, an denen man so etwas erzählen könnte. Der Wilhelmsplatz mit seiner heterogenen Struktur, seinen vielfältigen Bevölkerungsschichten und -gruppen schien ideal für diesen Film geeignet. So kam es auch, dass die als letztes erfundene Episode (Bruno, der aus der eigenen Firma geworfen wird) erst mit dem Wilhelmsplatz entstand. Das opulente Heroldcenter mit seinem schlanken Glasturm und die mit Kamille bewachsene Verkehrsinsel, die ein Szenenbildner nicht besser bauen könnte - hier war der Platz selbst die Inspiration zur "Bruno-Episode".

Arek Gielnik: Indi Film als Stuttgarter Produktionsfirma wollte natürlich einen Spielfilm in Stuttgart umsetzen. Und zwar nicht irgendeinen, sondern diesen, der über die kulturelle Identität erzählt. Ein Film über zwei türkische und zwei deutsche Hauptcharaktere, deren Lebenslinien sich an einem vibrierenden Platz wie dem Wilhelmsplatz kreuzen. Der zentrale Ort ist Habibs Imbiss. In Stuttgart leben mehr Menschen mit Migrationshintergrund als zum Beispiel in Berlin. In den letzten 30 bis 40 Jahren haben sie sich sehr gut integriert.

Wie war die Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart? Ein derartiges Imbiss-Häuschen hinzustellen, brachte sicherlich ein paar Behördengänge mit sich.

Arek Gielnik: Wir haben unser Film-Projekt während einer Sitzung des Bezirksrates Mitte im Rathaus Stuttgart präsentiert. Seitdem bekommen wir eine sehr gute Unterstützung von der Stadt Stuttgart und dem Amt für öffentliche Ordnung. Die Drehgenehmigung am Wilhelmsplatz war natürlich mit einigen Absprachen verbunden, wurde aber sehr offen und mit großem Entgegenkommen seitens der Stadt gehandhabt. Wir haben den Eindruck, dass man ein Filmprojekt wie unseres sehr begrüßt. Auch die vielen Menschen, die ständig an unserem Imbiss vorbeigehen, reagieren sehr neugierig und positiv auf unsere Dreharbeiten.

Wie lange wird noch gedreht und wann soll der Film in die Kinos kommen?

Arek Gielnik: Es wird noch bis Ende Oktober 2012 am und um den Wilhelmsplatz herum gedreht. Der Film wird voraussichtlich im Herbst 2013 ins Kino kommen - natürlich mit einer großen Premiere in Stuttgart!

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