Regina Spöttl von Amnesty International erklärt, warum sie gegen das Formel-1-Rennen in Bahrain ist: „Die Menschenrechtskrise ist noch lange nicht vorbei.“

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Regina Spöttl ist die Bahrain-Expertin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Den Formel-1-Auftritt in dem arabischen Königreich, wo es auch wieder zu politischen Protesten und Gewalt kam, hält sie für das falsche Signal.

 

Frau Spöttl, warum ist es Ihrer Ansicht nach nicht angemessen, dass die Formel 1 am Sonntag in Bahrain fährt?
Wir sehen das als ein vollkommen falsches Signal an die Weltöffentlichkeit. Die Menschenrechtskrise in Bahrain ist noch lange nicht vorbei, obwohl die Regierung das Gegenteil beteuert.

Was wissen Sie über die Situation in dem kleinen arabischen Königreich?
Nach wie vor werden Demonstrationen mit exzessiver Gewalt von den Sicherheitskräften und der Polizei niedergeschlagen. Wir bekommen immer noch viele Berichte über Folter und Misshandlungen in Haft, auch Berichte über unfaire Gerichtsverfahren. In den Gefängnissen befinden sich Hunderte von Aktivisten, Oppositionsführer, Lehrer, Studenten und Journalisten, die alle mit Gewaltanwendung überhaupt nichts am Hut haben. Deshalb ist es für uns ein falsches Signal, wenn es heißt: die Formel 1 fährt wieder dort, obwohl das Rennen im vergangenen Jahr ja auch schon wegen dieser Zustände im Land abgesagt wurde.

Will die Königsfamilie die Rennserie für ihre Zwecke benutzen, um der Welt vorzutäuschen, dass es eine Entwicklung zum Positiven gibt?
Die Regierung möchte tatsächlich den Eindruck erwecken, dass Bahrain wieder ein stabiler und sicherer Staat ist. Was die Sicherheit für den Formel-1-Tross angeht, sehe ich auch keine Probleme. Die Frage aber ist, ob die Bürger von Bahrain auch sicher vor der Regierung sind. Sie hat ja die Übergriffe im vergangenen Jahr angeordnet und sich Verstärkung aus Saudi-Arabien geholt, um die Demonstranten von der Straße zu vertreiben. Uns geht es um die Sicherheit für friedliche Demonstranten.

Verpasst die Formel 1 die Chance, mit einem Boykott ein Zeichen zu setzen?
Auf jeden Fall. Es gibt ja auch andere Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind und in denen die Formel 1 trotzdem startet, so wie in China. Wir fordern keinen generellen Boykott von solchen Ländern. Aber wir wünschen uns, dass die Formel 1 und ihre Sponsoren nicht mit geschlossenen Augen in diese Länder fahren, sondern sich informieren und auch mal Forderungen stellen.

Welche Forderungen?
Etwa: „Lasst die gewaltlosen politischen Gefangenen frei!“ Wir würden natürlich auch gerne kleine oder große gelbe Sticker mit „Amnesty International“ auf die Rennwagen kleben. Im Ernst: mit Aufklebern, die zum Beispiel Meinungsfreiheit in Bahrain fordern, könnten die Teams mitteilen: Wir fahren hier zwar, auch weil wir vertraglich gebunden sind, aber wir verschließen unsere Augen nicht davor, dass einiges im Argen liegt. Der viel beachtete Zirkus, wie die Formel 1 ja immer genannt wird, könnte da etwas für die Menschenrechte tun.

Bernie Ecclestone will unbedingt nach Bahrain, weil er und seine Formel 1 sonst sehr viel Geld verlieren. Nun schimpft er auf Organisationen wie Amnesty International, denn seiner Ansicht nach gehe es dort auch nur ums Geld und bestimmte Interessen.
Was Herr Ecclestone da von sich gibt, ist völlig aus der Luft gegriffen. Wenn er seine Hausaufgaben gemacht hätte und mal auf die Website von Amnesty gegangen wäre, dann wüsste er, dass unsere Arbeit fast ausschließlich auf ehrenamtlichem Engagement beruht. Wir sind eine Non-Profit-Organisation, die sich über Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert. Wir nehmen keinerlei Förderungen von Regierungen und Parteien an. Uns geht es nicht um wirtschaftliche Interessen, sondern um die Einhaltung international anerkannter Menschenrechtsabkommen. Das weiß Herr Ecclestone offenbar nicht, sondern schließt von sich auf andere.
Das Gespräch führte Dominik Ignée.