Nach Kriegsende wird sie gefragt, ob sie als Beraterin für Frauen- und Jugendfragen nach Deutschland gehen will. Sie ist jetzt 54 und entscheidet sich anzunehmen: „Wäre es um Erwachsene gegangen, hätte ich keinen Augenblick gezögert, Nein zu sagen. Die Kinder aber, lag der Fall hier nicht anders? Waren die Kinder in Deutschland nicht genauso schuldlos wie die Kinder überall auf der Welt? Wehrlose Opfer furchtbarer Ereignisse?“

 

Von Bad Homburg aus, dem US-Hauptquartier für Besatzungsaktivitäten, fährt Mrs. Lepman in khakifarbener Majors-Uniform mit dem Jeep durch Deutschland, kommt auch nach Stuttgart, wo inmitten der zerstörten Stadt noch der Tagblatt-Turm steht, ihr einstiger Arbeitsplatz. In ihren Erinnerungen werden diese Jahre mit den ganzen Nöten, der Aufbruchsstimmung und der Tatkraft lebendig. Sie glüht für ihre Sache, neben Carepaketen Nahrung für den Geist zu verbreiten.

In der Geschichtsschreibung der Landesbibliothek war bisher nirgends nachzulesen, welchen Nachhall die Stuttgarter Ausstellung der Internationalen Jugendbücher anno 1946 später noch zeitigte. Erst zwei jetzt wieder aufgefundene Ordner geben einen spannenden Einblick.

Anfang März 1950, zwei Monate vor der Wiedereröffnung der Landesbibliothek, schreibt Dietrich Seckel von der Württembergischen Bibliotheksgesellschaft an Jella Lepman mit der Bitte um Unterstützung. Die Erziehungsabteilung der amerikanischen Verwaltung von Württemberg-Baden hat nämlich angeregt, eine Kinderbuchausstellung in mittleren Städten zu zeigen, und will dafür 2000 Mark zur Verfügung stellen. Was natürlich niemals für die Anschaffung von neuem ausländischem Büchermaterial reicht, geschweige denn, dass jemand noch einmal vermag, zwanzig Länder anzuschreiben und um Tausende Titel zu bitten.

Von „Heidi“ bis zum „Troztzkopf“

Jella Lepman antwortet, dass sie lediglich eine kleine Kollektion von internationalen Büchern ausleihen könne, und macht den Vorschlag, deutsche Verlage anzuschreiben, um deren neue Buchproduktion zu zeigen. Sie liefert eine Liste mit infrage kommenden Jugendbuchverlagen und bietet darüber hinaus an, 46 Kinderzeichnungen aus England, Spanien, Dänemark, der Türkei, der Tschechoslowakei und den USA auszuleihen. Wie es lebenslang ihre Art gewesen ist, macht sie sich Gedanken und gibt Hinweise, etwa auf die Amerika-Häuser oder auf zu präsentierendes Waldorf-Spielzeug.

1913 heiratet sie den deutsch-amerikanischen Fabrikanten Gustav Horace Lepman, der 1922 an den Folgen seiner Kriegsverletzungen stirbt. Obwohl Mutter zweier kleiner Kinder wird sie die erste weibliche Redakteurin beim „Stuttgarter Neuen Tagblatt“, verfasst gesellschaftspolitische Artikel und gründet 1927 die Beilage „Die Frau in Haus, Beruf und Gesellschaft“.

1928 erscheint ihr Kinderbuch „Der verschlafene Sonntag“ im Haedecke-Verlag, im Jahr darauf wird ihr Kindertheaterstück „Der singende Pfennig“ am Schauspielhaus aufgeführt. Als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei kandidiert Jella Lepman neben Theodor Heuss und Reinhold Maier für den Reichstag. Nach Hitlers Machtübernahme wird ihr Vertrag als Redakteurin aufgelöst. Bis 1935 beschäftigt man sie noch als freie Mitarbeiterin, 1936 emigriert sie mit Tochter und Sohn nach England, wo sie Arbeit beim BBC, später beim amerikanischen Rundfunk, danach an der US-Botschaft in London findet. Sie schreibt unter Pseudonym mehrere Bücher, darunter ein Lesebuch für den Deutschunterricht „Die Kinder vom Kuckuckshof, eine Detektivgeschichte aus dem Schwarzwald“.

Mrs. Lepman in Major-Uniform

Nach Kriegsende wird sie gefragt, ob sie als Beraterin für Frauen- und Jugendfragen nach Deutschland gehen will. Sie ist jetzt 54 und entscheidet sich anzunehmen: „Wäre es um Erwachsene gegangen, hätte ich keinen Augenblick gezögert, Nein zu sagen. Die Kinder aber, lag der Fall hier nicht anders? Waren die Kinder in Deutschland nicht genauso schuldlos wie die Kinder überall auf der Welt? Wehrlose Opfer furchtbarer Ereignisse?“

Von Bad Homburg aus, dem US-Hauptquartier für Besatzungsaktivitäten, fährt Mrs. Lepman in khakifarbener Majors-Uniform mit dem Jeep durch Deutschland, kommt auch nach Stuttgart, wo inmitten der zerstörten Stadt noch der Tagblatt-Turm steht, ihr einstiger Arbeitsplatz. In ihren Erinnerungen werden diese Jahre mit den ganzen Nöten, der Aufbruchsstimmung und der Tatkraft lebendig. Sie glüht für ihre Sache, neben Carepaketen Nahrung für den Geist zu verbreiten.

In der Geschichtsschreibung der Landesbibliothek war bisher nirgends nachzulesen, welchen Nachhall die Stuttgarter Ausstellung der Internationalen Jugendbücher anno 1946 später noch zeitigte. Erst zwei jetzt wieder aufgefundene Ordner geben einen spannenden Einblick.

Anfang März 1950, zwei Monate vor der Wiedereröffnung der Landesbibliothek, schreibt Dietrich Seckel von der Württembergischen Bibliotheksgesellschaft an Jella Lepman mit der Bitte um Unterstützung. Die Erziehungsabteilung der amerikanischen Verwaltung von Württemberg-Baden hat nämlich angeregt, eine Kinderbuchausstellung in mittleren Städten zu zeigen, und will dafür 2000 Mark zur Verfügung stellen. Was natürlich niemals für die Anschaffung von neuem ausländischem Büchermaterial reicht, geschweige denn, dass jemand noch einmal vermag, zwanzig Länder anzuschreiben und um Tausende Titel zu bitten.

Von „Heidi“ bis zum „Troztzkopf“

Jella Lepman antwortet, dass sie lediglich eine kleine Kollektion von internationalen Büchern ausleihen könne, und macht den Vorschlag, deutsche Verlage anzuschreiben, um deren neue Buchproduktion zu zeigen. Sie liefert eine Liste mit infrage kommenden Jugendbuchverlagen und bietet darüber hinaus an, 46 Kinderzeichnungen aus England, Spanien, Dänemark, der Türkei, der Tschechoslowakei und den USA auszuleihen. Wie es lebenslang ihre Art gewesen ist, macht sie sich Gedanken und gibt Hinweise, etwa auf die Amerika-Häuser oder auf zu präsentierendes Waldorf-Spielzeug.

Im Sommer 1950 gehen Briefe an die Verlage, in denen um Freiexemplare von Kinder- und Jugendbüchern, dazu Prospekte und Plakate gebeten wird. Erstaunlich viele antworten, teils mit Bestellzetteln, teils mit handschriftlichen Kärtchen. Dann kommen Pakete: „Heidi“ und „Trotzkopf“ von der Droemerschen, Bonsels und Max Eyth von der DVA, Bergengruen und Lise Gast von Thienemann, der „Rulaman“ von Wunderlich, „Die Wurzelkinder“ von Schreiber/Esslingen, Zauberbücher und Spiele von Otto Maier, Ravensburg.

Zahlreiche Märchenbücher und Klassiker sind dabei. Vieles, was auch in der Nazizeit hatte verkauft werden dürfen. Schließlich können um die 1000 Titel auf Wanderschaft gehen nach Göppingen, Schwäbisch Gmünd, Ulm, Heidenheim, Ludwigsburg, Bad Mergentheim, Heilbronn und Pforzheim. Allerorts berichtet man von einer begeisterten „lesehungrigen Jugend“.

16 000 Besucher

In einer Stadt muss die Polizei den Zustrom der ungeduldigen Kinder bändigen, anderswo wird die Schau zeitweilig wegen Überfüllung geschlossen. Insgesamt zählt man mehr als 16 000 Besucher. Zu den Eröffnungen sprechen Wilhelm Hoffmann oder Dietrich Seckel, es gibt einen kleinen Tee-Empfang für die ortsansässigen Zelebritäten, dann dürfen die Kinder sich um „Struwwelpeter“, „Robinson Crusoe“ oder „Max und Moritz“ balgen.

Das Resümee fiel schließlich positiv aus: Alle bedauerten, wenn die „Jugend-Bücherstube“ schloss und weiterzog. Die Antworten auf den verteilten „Merkzetteln“, die Buben und Mädel nach ihren Wünschen befragten, waren erwartbar gewesen, ebenso die gelegentlich beklagte Unruhe und Unfähigkeit zur Konzentration sowie das stärkere Interesse für die deutschsprachigen als für die 200 internationalen Kinderbücher. Vor allem ist davon die Rede, dass es der dauerhaften Einrichtung von Bibliotheken, besonders auch für Kinder, bedarf. Jella Lepmans Vision ist zumindest in diesem Sinn Realität geworden.