Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)
Jonas, du hast schon früh mit dem Auflegen begonnen, oder?
Jonas Ja, ich habe mit 16 zu Hause angefangen und habe dann mit 17 das erste Mal im damaligen Club Cookies bei einer Abi-Party aufgelegt.
Früher habt ihr zusammen in Gerlingen Musik gemacht, seit eineinhalb Jahren seid ihr nun in eurem eigenen Mikrokosmos mitten in der Stuttgarter Innenstadt. War es schwierig, solch ein Areal zu finden?
Jens Ja! Wir haben Anfang 2012 angefangen zu suchen. Ich habe im Netz geschaut, herumtelefoniert, alle städtischen Ämter abgeklappert, alle offiziellen Kanäle angezapft, bei der Industrie- und Handelskammer um Hilfe gebeten – alles vergebens. Ehrlich gesagt habe ich mich sehr verlassen gefühlt, von Unterstützung für die Kreativwirtschaft habe ich nichts gespürt. So eine Situation motiviert mich aber, das war vergleichbar mit der Zeit, als mich alle mit Praktika im Bereich Tontechnik abspeisen wollten. Damals habe ich mich dann eben selbstständig gemacht.
Und wie habt ihr dann eure kleine Kreativwelt am Rotebühlplatz gefunden?
Jonas Wir haben über Google Maps nach passenden Hinterhöfen im Stuttgarter Westen gesucht, haben uns die spannendsten Objekte einfach persönlich angeschaut und dort Leute angequatscht. Da gibt es so viele brachliegende Perlen! An anderer Stelle im Westen haben wir zwei Tage zu spät nachgefragt, hier am Rotebühlplatz hat es sofort gepasst. Wir haben uns mit dem Hausmeister gut verstanden, der hat den Kontakt zum Vermieter hergestellt. Zu dem Zeitpunkt hatte Marc C. Woehr schon sein Atelier im selben Gebäude. Er ist ein Freund des Vermieters und hat uns von Anfang an unterstützt.
Jetzt ist alles toll, nachdem die Immobiliensuche erst eher deprimierend verlaufen ist?
Jens Nein, ich bin immer noch sehr enttäuscht. Stuttgart macht es einem nicht gerade einfach. Die Immobilienbesitzer lassen ihre Häuser lieber leer stehen, anstatt sie zu vermieten, weil das zum Abschreiben besser ist oder warum auch immer. Brauchbare alte Sachen werden abgerissen, stattdessen werden neue Klötze für absurde Millionenbeträge hingestellt.
Dabei seid ihr auf der anderen Seite Botschafter dieser Stadt, eure Single „Schwung in die Kiste“ war ganz oben in den Charts.
Jonas Ja, das stimmt, selbst in den Clubs in Hamburg rufen die Leute „Kiiischdee“ und versuchen sich an einem schwäbischen Akzent. Für das Image dieser Stadt ist das sicherlich nicht das Dümmste.
Neben Cro seid ihr mit den Orsons Teil der zweiten Stuttgarter Rap-Welle, nachdem es schon einmal Bands wie Freundeskreis oder Massive Töne gelungen war, Stuttgart auf der Popkultur-Karte ganz oben zu verorten.
Jonas Für mich fühlt sich der momentane Orsons-Hype nicht so groß an wie all das damals. Von den Massiven oder vom Freundeskreis war ich selbst ein riesiger Fan, das war für mich gefühlt noch mal eine ganz andere Liga. Carlo habe ich lustiger Weise vor dem ganzen Hype kennen gelernt, kurz bevor „Easy“ herauskam. Das war für uns alle neu und fast nicht zu begreifen. Für sein erstes Album habe ich ihm dann ein paar Beats geschickt und das Glück gehabt, dass er mit „King of Raop“ dann tatsächlich einen Beat von mir herausgepickt hat.
Das Album hat sich 200 000-mal verkauft und wurde mit einer Platinschallplatte ausgezeichnet. Das ist eine feine Referenz!
Jonas Es ist verrückt, über Nacht zum Platinproduzenten zu werden. So eine Auszeichnung sollte aber nicht das Ziel sein. Andere Musiker rennen mir jetzt nicht die Türe ein. Es muss halt direkt weitergehen.
Und wie ist es für dich weitergegangen?
Jonas Ich habe mich gemeinsam mit Jens auf das Mischen und die Soundästhetik spezialisiert. Das aktuelle Orsons-Album ist am Ende zum Beispiel komplett bei Jens und mir im Studio gemischt worden.
Der Szenetreff am Rotebühlplatz funktioniert wie eine moderne Zollstation. Jeder DJ, jeder Musiker, jeder Kreativschaffende, der vom Stuttgarter Westen in die Stadtmitte läuft, muss auf einen Schnack vorbeikommen. Soeben fährt Collins Boateng von Cros Kleidermarke Viovio vor. „Kann ich das Auto kurz bei euch stehen lassen?“ Klaro, schließlich ist Collins nicht nur Mr. Viovio, sondern auch der Mitbewohner von Jonas Leicht.
Wie muss man sich den Feinschliff eines solchen Albums als Laie vorstellen?
Jonas Das muss man sich wie ein riesiges Puzzle vorstellen, bei dem versucht wird, die unterschiedlichen Teile zusammenzuführen. Jeder Orson hat für sich Beats und  Skizzen gemacht. In einem nächsten Schritt haben Tua und ich dem Album den letzten Schliff gegeben, bevor es dann in die endgültige Mischung ging. Für dieses Abmischen haben wir am Ende rund sechs Wochen gebraucht, in denen ich jeden Tag an die zehn Stunden gearbeitet habe.
Ihr spielt auf großen Festivals, das Orsons-Album war auch kommerziell erfolgreich. Könnt ihr von eurer Arbeit gut leben?
Jonas Ich kann seit mehreren Jahren vom Auflegen und vom Produzieren leben.
Jens Der Orsons-Kosmos ist ganz eigen, bei allem Erfolg funktioniert unsere Zusammenarbeit immer wie eine Klassenfahrt, egal wie die äußeren Umstände sind. Wir haben uns aus Freundschaft zusammengetan. Heute machen wir die Musik eben nicht mehr nur zum Spaß, sondern auch, um die Miete zu bezahlen.
Jens, du sagst, dass dir die Orsons das Leben als Tourmanager leicht machen. Wie konnte es dann auf der vorletzten Tour passieren, dass du Rapper Bartek einfach in Salzburg vergessen hast?
Jens Naja, was soll ich sagen. Das war damals eben der Tourabschluss, da durfte der Tourmanager auch mal ein bisschen feiern. Beim Durchzählen hatte ich wohl eine temporäre mathematische Schwäche. Ich dachte, es werden schon alle da sein, die Abfahrtszeit des Busses war auch allen bekannt. Leider ging Bartek im Laufe der Nacht irgendwo in Salzburg verloren. Seitdem sind wenigstens alle pünktlich.