„Perseus-Protokoll“ und „Sonnentau“ - zwei Krimis, mit denen Kai Hensel bei Killer & Co. gepunktet hat. Ob er mit „Bist du glücklich?“ wohl den Hattrick schafft?

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Mit den Zeiten ändern sich auch die Süchte. Hat man sich früher mit Bier und Korn aus der Mühsal des Alltags weggebeamt und später vielleicht zu Heroin oder Koks gegriffen, so liegt das Potenzial heute im Virtuellen. Die Leute hängen nicht mehr an der Nadel, sondern am Smartphone, und wer sie dort aus ihrem permanenten Leiden und Langweilen abholt, ist der King.

 

Patrick, ein trendiger Start-Upler aus Berlin, ist so ein Kerl. Er hat, nach diversen Pleiten, ein Computerspiel auf den Markt gebracht, nach dem die Leute sich verzehren. „Bist du glücklich?“ heißt das Spiel, und so heißt auch Kai Hensels dritter Thriller.

Diesmal entführt der gebürtige Hamburger seine Leser nicht ins krisengeschüttelte Griechenland („Das Perseus-Protokoll“) oder ins erbebenverwüstete Haiti („Sonnentau“) , sondern, raus aus dem schicken Berlin, in die menschenleere Uckermark mit ihren halbverfallenen Schlössern, glatzköpfigen Dorfnazis und giftigen Sowjet-Hinterlassenschaften.

Vor dem ganz großen Deal

Patrick ist mit seinem Spiel offenbar auf eine Goldader gestoßen, außerdem hat er eine hübsche Freundin aus bestem Hamburger Reederhause, die als Journalistin und Autorin im Ressort „Gesundes Essen und noch besseres Leben“ ein bisschen Karriere macht. Ein schwerreicher amerikanischer Investor ist auf „Bist zu glücklich?“ aufmerksam geworden, Patrick steht vor dem ganz großen Deal.

Dummerweise aber wird er von einem Fan, der unansehnlichen, gewaltbereiten Krankenschwester Brigitte gestalkt. Und da ist dann auch noch dieser wasserköpfige David, süchtig nach „Honig“, womit nichts anderes als menschliches Blut gemeint ist. Zu diesem merkwürdigen jungen Mann unterhält Patrick eine mindestens ebenso merkwürdige geschäftliche Beziehung.

Niemand ist zu trauen

Recht schnell entwickelt sich da draußen im dünn besiedelten Hinterland eine wahre Freakshow. Zu trauen ist niemand, und noch weniger spielen die Kategorien Recht, Anstand oder Moral für irgendjemanden eine Rolle. Jeder gegen jeden, heißt irgendwann die Parole, und der Body Count ist beträchtlich.

Hat Hensel in seinen beiden anderen Romanen gesellschaftliche und politische Verhältnisse zentral aufgegriffen, so geht er diesmal, abgesehen von der grassierenden Spielsucht, eher ins Private, was vor allem bei dem Berliner Yuppie-Pärchen gut funktioniert. Nicht ganz ohne Risiko ist hingegen, dass er es mit dem Register ziehen etwas zu gut meint. Das Motiv des Blut saugenden, religiös verblendeten Idiot savant David, seine Herkunft, sein Hintergrund werden sehr detailliert dargestellt. Und auch die anderen Gewalttätigkeiten sind nicht ohne.

Zwar gibt es in diesem Genre Bücher mit noch wüsteren Schilderungen, aber ein bisschen übertreibt es Hensel mit seinen Effekten. Platt ausgedrückt: Etwas weniger wäre mehr gewesen. Wobei, um der Wahrheit die Ehre zu geben, der reine Unterhaltungswert von „Bist du glücklich?“ dennoch ganz beträchtlich ist.

Kai Hensel: „Bist du glücklich?“Hoffmann und Campe, 2016. 336 Seiten, 20 Euro.